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Geliebte Oma,

am 16. Juni 2022 jährt sich dein Todestag zum insgesamt zehnten Mal. Wo sind all die Jahre bloß hin?

Verzeih mir ...
... dass ich oft ungeduldig mit den Augen gerollt habe, wenn du mir mal wieder gesagt hast, worauf es im Leben ankommt;
... dass ich die Zeit mit dir nicht oft genug gewertschätzt habe;
... dass ich dir manchmal nicht aufmerksam genug zugehört habe.
Es tut mir Leid! Ich dachte, du lebtest ewig, schließlich warst du schon immer da. Wie selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass wir noch zahlreiche Gelegenheiten hätten, miteinander zu diskutieren. Dass ich dir noch oft sagen könnte, dass du recht hast.

Ich weiß, dass du irgendwo bist ... dass du auf mich aufpasst ... dass du mir mein Leben so schön wie möglich gestaltest. Aber du fehlst mir so sehr.

Denn was ich dir nie gesagt habe, ist, dass du mein Vorbild bist.
Ich bin kein annähernd so guter Mensch, wie du einer warst, doch ich versuche es.
Ich kenne niemanden, der sogenannte christliche Werte so kompromisslos lebte, wie du es tatest. Du warst und bist für mich der Inbegriff von Güte, Liebe & Menschlichkeit.
Niemals hast du dich über dein Schicksal beschwert oder gejammert - im Gegenteil :-). "Ich bin reich", sagtest du als Bezieherin einer Mindestpension & das trotz lebenslanger harter Arbeit, "denn so viel wie jetzt hatte ich noch nie." Und selbst das hast du großzügig geteilt, nicht nur mit deinen Enkelkindern, nein, auch mit bedürftigen Menschen, die an deine Haustür klopften & um Hilfe baten.

Nur in einem warst du absolut unnachgiebig: "Die Kinder sind nie schuld!" Diese Einstellung hast du auch gerne mit einem Schlag auf den Tisch vertreten.

Ich wollte dir in meiner jugendlichen Arroganz stets die Welt erklären, von der du keine Ahnung hattest :-D. Heute wünschte ich mir, du könntest mir sagen, wie man das Leben meistert & trotzdem ein wunderbarer Mensch bleibt.

STS hat eine Hymne auf den Großvater gesungen, aber auch du hättest dir ein solches Denkmal verdient. Du hast mitgeholfen, aus mir zu machen, wer ich heute bin & ich bin dir zutiefst dankbar für alles, was du mich gelehrt hast. Dankbarer, als ich es in Worte fassen könnte.

Oma, danke, dass du mich so bedingungslos geliebt hast! Ich kann dir deine Liebe nur mehr so zurückgeben, dass ich stets versuche, so respektvoll mit allen Lebewesen umzugehen, wie du es tatest und mich frage, wie hätte die Oma wohl an meiner Stelle getan.

Ich geb' mir Mühe.

Ich liebe dich sehr!

„Omas halten unsere kleinen Hände nur für eine kleine Weile, aber unsere Herzen für immer.“ (unbekannt)


Danke an @Sichtweise CR für die Erinnerung an etwas so Wichtiges.

Commentaire 61

  • Lebe den Augenblick 28/08/2023 16:28

    Für alle Omas und Opas,
    wunderbar und so berührend dieser Text. Danke dafür  ;-))
    Habe meine Großeltern leider nicht kennengelernt  .........
    Fühl dich einfach mal ganz lieb umarmt, liebe Grüße
    Ela
    • MinnaS. aus W. 22/10/2023 6:02

      hallo, liebe Ela - ich danke dir!
      Und es tut mir sehr Leid, dass du diese Erfahrung nicht machen konntest :(.
      Aber ich hoffe, du hast andere Menschen in deinem Leben, die dir dasselbe bedeuten ... & sie alle haben mitgeholfen, dass du die Person wirst, die du heute bist.

      Danke auch für deine Umarmung, die ich gerne erwidere. Lieben Gruß, Minna.
    • Lebe den Augenblick 22/10/2023 9:21

      Liebe Minna ich danke dir ;-))
      Herzliche Grüße
      Ela
  • hansa5044 15/07/2022 8:01

    „Omas halten unsere kleinen Hände nur für eine kleine Weile, aber unsere Herzen für immer.“ Das sagt alles. Schön, wie du deine Erinnerung in Bild und Wort gefasst hast. LG Hansa
    Hier mein Beitrag zum Schwarzweißen Freitag:
    Am Hauptstrand
    Am Hauptstrand
    hansa5044
  • Gelo Charro 17/05/2022 17:27

    Que hermosa carta, que sentido homenaje.....estaba identificándome contigo.....
  • Trugbild 15/05/2022 23:32

    Ein schönes Erinnerungsfoto, liebe Minna. Meine Oma's sind schon Jahrzehnte im Himmel.
    VG Adeltraut
  • jbd68 13/05/2022 21:58

    Schöne Reminiszenz mit passendem Bild. Ja, irgendwann ist spät wirklich zu spät, und es lässt sich nichts mehr besprechen... VG Björn
  • Andreas E.S. 13/05/2022 21:33

    Liebe Minna. Da hast du ja ein einmaliges schönes und rührendes Wort an deine verstorben Oma gerichtet. Ich hoffe, dass sie das irgendwo im Jenseits liest und sich gewaltig freut.Das hätte ich nicht so intensiv ausdrücken können. Ich hoffe auch, dass viele Leser deine Worte zum Anlass nehmen, über ihr Verhältnis zu den Großeltern noch positiver zu denken als bisher. Meine Oma starb 1939 und war der Grund für meine erste Reise mit 3 Jahren aus dem Rheinland in die Heimat meines Vaters nach Bayern zu fahren. Ich habe sie leider nie gekannt. Erfreulicherweise bekommen wir von unseren vier Enkeln von 16 bis 22 Jahren immer wieder ein positives Echo auf unsere  vielen Mühen, die wir in den 22 Jahren erbracht haben.
    LG  Andreas
    • MinnaS. aus W. 15/05/2022 11:48

      servus, Andreas :).

      Danke für deine Zeit, diesen Kommentar zu schreiben & danke auch für deine eigene Geschichte ...
      Ich kannte meinen Opa väterlicherseits auch nicht & habe schon das Gefühl, mir fehlt ein Stück ... weil ich nur höre, wie er war, was er getan habe & das ist natürlich auch sehr subjektiv & in den Kontext der Zeit zu stellen.

      Waren es denn Mühen, eine Beziehung zu den Enkelkindern aufzubauen? ;-) Ich finde es wunderschön, dass sie euch schon zu Lebzeiten zeigen, wieviel ihr ihnen bedeutet & euch euer Großeltern-Dasein dankt :). Mögen es noch viele gemeinsame Jahre für euch werden :))))) - das wünsche ich euch von ganzem Herzen!
  • Astrid Wiezorek 13/05/2022 16:26

    Jetzt habe ich richtige Gänsehaut und fast schon Pipi in den Augen. Das hast du wundervoll geschrieben. Deine Oma wird immer bei dir sein und sie hat es gewusst, dass du sie lieb hattest. Ich hätte auch gerne eine Oma gehabt, leider lernte ich meine Omas nie kennen. Ich habe als Kind immer alle meine Freundinnen beneidet, wenn sie von ihren Großeltern erzählten, oder in den Ferien bei ihnen waren, oder tolle Geschenke bekamen. Denn ich hatte auch nie einen Opa. Behalte deine Oma weiter so lieb und fest in deinem Herzen. Du hast bestimmt sehr viel von ihr gelernt und danach richtest du dich jetzt. Mach dir keine Vorwürfe, dass du nich immer aufmerksam genung warst. Im Leben ist das so, und man meint es nicht böse. Man schätzt die Menschen oft erst dann richtig, wenn sie nicht mehr da sind. 
    LG Astrid
    • MinnaS. aus W. 15/05/2022 11:54

      dein Kommentar hat mich sehr gerührt, liebe Astrid ... ich habe viel darüber nachgedacht. Es tut mir ausgesprochen Leid, dass du nie erleben durftest, was es bedeutet, eine Oma zu haben :( oder besser vielleicht sogar zwei :). Denn meine waren komplett verschieden, aber das ist ein anderes Kapitel.

      Meine Oma konnte gar keine großen Geschenke machen & das war es auch nicht, was sie ausmachte. Das würde mich übrigens wieder zu einem neuen Thema führen: Nämlich, was Großeltern zum Teil heutzutage investieren, um ihre Enkelkinder zu verwöhnen. Dabei entsteht Beziehung weniger durch Geschenke als vielmehr durch Qualitätszeit. Meine Oma führte kein ausschweifendes Leben, eigentlich im Gegenteil, sie lebte sehr einfach. Was sie aber war, war mein sicherer Hafen ... diese Erkenntnis kommt mir erst jetzt, wo ich dir antworte ...

      Und das Leben wird sich nochmal komplett ändern, wenn mein Opa irgendwann stirbt ...

      ja, ich kann total gut nachvollziehen, wie es dir ergangen sein muss :-(. Und trotzdem oder vll. genau deswegen bist du aber auch ein ganz besonders lieber Mensch geworden ...
    • Astrid Wiezorek 15/05/2022 17:37

      Liebe Minna,
      ich habe mich da vielleicht auch etwas falsch ausgedrückt. Wenn ich schrieb:....Ich habe als Kind immer alle meine Freundinnen beneidet, wenn sie von ihren Großeltern erzählten, oder in den Ferien bei ihnen waren, oder tolle Geschenke bekamen. ...
      Es ging mir gar nict mal um die Geschenke. Das waren damals auch keine teuren Sachen, aber meine Freundin fuhr halt in den Ferien zu ihrer Oma und als sie wieder kam erzählte sie mir, dass sie mit dem Opa angeln war, dass ihr die Oma erlaubt hat, in ihrem Kleiderschrank zu stöbern und dass sie dann mit ihr "Verkleiden" gespielt hat, oder dass sie eine Nachtwanderung unternommen haben, mit Taschenlampe und dass sie auf dem Heuboden Mittagsruhe halten durfte. Das waren oft ganz kleine Sachen, die Eltern ihren Kindern halt nicht erlauben. Ich war da schon etwas traurig, ich wurde nämlich ziemlich streng erzogen und da habe ich mir immer eine Oma gewünscht.
      Na ja, ich bin auch so groß geworden. Die Liebe zur Natur habe ich von meinem Vati geerbt. Er war Förster und hat mich immer mit in den Wald genommen. Ich war ein absolutes Papakind.
      LG Astrid
  • amoto 13/05/2022 12:34

    Ja schnell geraten wir in Vergessenheit aber solange es Menschen gibt die sich erinnern und diese Erinnerungen im Herzen tragen solange werden wir bestehen.
    Klasse und mit schönen Worten untermalt.
    Liebe Grüße amoto
  • seniortraveller 13/05/2022 12:12

    Eine tolle Hommage an deine Oma!
  • Urs V58 13/05/2022 11:49

    Ein schöneres Andenken an einen geliebten Menschen kann ich mir nicht vorstellen, liebe Minna. Wo auch immer sie ist, sie ist stolz auf ihre Enkelin! LG Urs

    Ein vergleichsweise profaner Beitrag von mir:
    no check-in
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    Urs V58
  • alicefairy 13/05/2022 11:25

    Eine schöne Erinnerung
    Lg Alice
  • Only Klaus 13/05/2022 10:42

    Ein mir sehr nahegehender Text zum Gedenken an deine Oma
    Einen guten Start ins Wochenende
    LG Klaus
    Turm mit Hochkreuz
    Turm mit Hochkreuz
    Only Klaus
  • grachester 13/05/2022 10:42

    So schöne, liebe Worte hab ich lange nicht mehr gelesen...die Zeit vergeht so schnell...für uns alle...
    VG  Grace
  • Annette He 13/05/2022 10:34

    Deine Worte haben mich zu Tränen gerührt.

    Gruß,
    Annette
  • WM-Photo 13/05/2022 10:22

    STS hat eine Hymne auf den Großvater gesungen, Du hast eine mit Deinen Worten an Deine Oma verfasst. Danke in Namen aller Großeltern.
    Gruß Walter