Retour à la liste
Zum Holocaustgedenktag...

Zum Holocaustgedenktag...

35 941 12

Stefan Schwetje


Premium (World), Braunschweig

Zum Holocaustgedenktag...

Befreit, aber nicht wirklich frei !

Heute vor 74 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von der 60. Armee der 1. Ukrainischen Front befreit.

Wir dürfen N I E M A L S vergessen !!!!

Mit zunehmendem Alter bewegte die Kinder von Auschwitz, die nicht wussten, wie sie heißen und woher sie kamen, immer dringlicher die Frage nach ihrer Herkunft. Bei der Suche nach den Eltern half oft die Häftlingsnummer, denn in Auschwitz wurde diese zuerst der Mutter tätowiert, dann dem Kind die direkt folgende Nummer.
Kola Klimczyk, der kurz vor der Befreiung von Emilia und Adam Klimczyk aus dem Lager Auschwitz-Birkenau gerettet worden war, kam 1950 in die Volksschule im polnischen Jawiszowice. Die Mitschüler fragten ihn: „Du hast eine Nummer, wir haben keine, warum“ ? Und Kola stellte sich auch diese Frage. Kola hatte eine Zeitlang kein Interesse am Unterricht. Die Mutter brachte ihn zur Schule. Kaum war sie weg, machte er sich durch den Hinterausgang davon. Oder er brachte die Lehrerin aus dem Konzept, weil er durch die Klasse wanderte. Wenn ihn einer seiner Schulkameraden berührte, reagierte der Junge sofort auf jede und jeden aggressiv.
Wenn Kola bemerkte, dass Deutsche bei ihnen oder im Haus waren, fing er an zu schreien: „Wir müssen fliehen, sonst werden wir erschossen“ ! Obwohl Kola immer genug zu essen bekam, versteckte er immer wieder Essensreste. Zu Kolas Lebenserfahrung gehörte, dass Menschen nicht sterben, sondern getötet werden. Als ein Verwandter gestorben war, nahmen ihn die Klimczyks mit zu den Toten. Sie zeigten ihm den Leichnam und sagten: „Er ist gestorben“ „Was heißt gestorben“ ? wollte Kola wissen. „Wer hat ihn totgeschlagen“ ?
In dem Kinderheim Harbutowice bei Krakau, in dem sich ab Mai 1945 sieben kleine, in Auschwitz befreite Kinder befanden, gab es, so Tadeusz Szymanski mehrere Vorfälle: Die Kinder waren alle in einem großen Zimmer untergebracht. Ein Junge namens Tolek wurde so krank, dass er, um die anderen Kinder nicht anzustecken, in ein anderes Zimmer verlegt werden sollte. Die anderen Kinder wehrten sich dagegen und haben gesagt: Nein, Ihr macht keine Selektion. Das geht nicht. Er muss hierbleiben ! Letzten Endes wurde ein Kompromiss gefunden: Eines der Mädchen durfte sich bei Tolek im anderen Zimmer aufhalten, um dort auf ihn aufzupassen. Fast nichts, was die Kinder zu Essen bekamen, kannten sie. So gab es eines Tages die rote Rübensuppe Barszcz. Und als sie diese Suppe zum ersten Mal sahen – sie hatten ja keine Ahnung, dass es solche Suppen gibt – schrien sie.
Die Rydzikowskis nahmen Lidia, wie das Mädchen im Lager genannt wurde, mit nach Hause. Lidias Kopf war kahl geschoren. Sie war völlig ausgehungert. Ihre Lippen hatten einen tiefen, großen Schnitt. Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis diese Wunde verheilt war. Ihre dünnen Beine waren bis zu den Knien erfroren. Der Körper war mit Geschwüren bedeckt, aus denen die Läuse herauskamen. Als das Mädchen das erste Mal etwas zu Essen bekam, waren starke Magenschmerzen die Folge. Aus ihrem Mund quoll Schaum. Ein Arzt wurde gerufen. Vor Ärzten hatte sie lange Zeit große Angst. Dann fing sie an zu schreien. Er musste seinen weißen Kittel ausziehen. Erst dann durfte er ihr Zimmer betreten. Am Anfang weinte Lidia jeden Nachmittag laut. Sie hatte dann vor jedem Menschen Angst, versteckte sich in den Ecken der Wohnung. Wenn andere Kinder weinten, zeigte sich Lidia erstaunt. Noch lange Zeit sagte sie: „Im Lager hat niemand geweint“ Wenn Lidia mit anderen Kindern spielte, kam es vor, dass sie ihnen befahl, sie sollten sich hinknien und die Hände heben. Dann lief sie zwischen ihnen hindurch und rief: „Seid still, sonst kommt ihr ins Revier und in den Ofen, denn Mengele kommt“ Und wenn jemand beim Spielen hingefallen war, zog sie das Mädchen oder den Jungen an den Füßen und sagte: „Du gehst jetzt in den Ofen“
Keines der überlebenden Kinder von Auschwitz konnte und kann Auschwitz vergessen. Der Schmerz ist immer da. Die Mutter, die ermordet wurde, der Vater, die Schwester, der Bruder, die Großeltern, die Freundin, der Freund, Tanten und Onkel… Und mit dem Älterwerden, wenn sie sich nicht mehr so sehr um die eigenen Familien kümmern müssen, kommen die Erinnerungen an Auschwitz oft mit noch größerer Wucht zurück. Alles lebt ein Leben lang und darüber hinaus in und mit ihnen und den nachkommenden Generationen. Die Folgen von Auschwitz sind Leiden ohne Ende – heute, morgen, übermorgen und weit darüber hinaus.
Nach seiner Befreiung hat auch Eduard Kornfeld einen unbeschreiblichen Hass auf alle Deutschen gehabt. Er wollte sich an dem Volk der Mörder rächen. Er habe sich überlegt: „Ich möchte fliegen können, mir ein Flugzeug mit einer Atombombe besorgen und diese auf Deutschland abwerfen. Ich wollte möglichst viele deutsche Männer, Frauen und auch Kinder umbringen“ ! Jahrelang fragte sich Eduard Kornfeld: wie könnte er nur Rache nehmen, Rache nehmen für seine von Deutschen ermordeten Eltern und Geschwister ? In den 1950´ er Jahren, als Eduard Kornfeld in Zürich seine Lehre als Juwelenfasser absolvierte, sah er eine Möglichkeit, Rache zu nehmen: „Dort gab es einen Kasten mit giftigen Pulvern, unter anderem befand sich darin ein Gift, das wir für die Reinigung von Schmuck verwendeten. Der Schlüssel für diesen Kasten befand sich in einem für mich zugänglichen Glas. Ich hätte das Gift nehmen können. Das hätte ich irgendwo in Deutschland in ein Wasserwerk schütten können, damit möglichst viele deutsche starben. Viele, viele Jahre verspürte ich dieses wahnsinnige Bedürfnis. Jeden Tag habe ich schwer mit mir gekämpft“ ! Aber er hat es nicht getan. 1966 sollte Eduard Kornfeld aus beruflichen Gründen nach Deutschland reisen. Lange habe er überlegt und mit sich gerungen: „Soll ich dort hingehen oder nicht“ ? Schließlich fuhr er. Ganz furchtbar war das für ihn. Umgeben von Mördern fühlte er sich. Niemanden konnte er trauen. „Im Hotel verriet mich mein jüdischer Name Kornfeld“. Die Tür sperrte er immer ab, aber er dachte: Vielleicht vergiften sie mich, wenn ich hier etwas esse oder trinke ? Er hatte auch noch viele Jahre später wirklich große Angst, wenn er in Deutschland sein musste. Noch Jahrzehnte nach der Befreiung sah Eduard Kornfeld in jedem Deutschen, der ein paar Jahre älter war als er, einen Mörder. Später habe er bei jedem deutschen Jugendlichen, den er sah oder traf, gedacht: Sein Vater ist ein Mörder oder der stammt von einem Massenmörder ab. Heute fragt er sich: „War sein Großvater an den Morden beteiligt“ ? Auf junge Deutsche verspürt er keinen Hass mehr. „Sie sind nicht verantwortlich für die Morde ihrer Vorfahren“ ! Eduard Kornfeld vermeidet nach wie vor, wenn es geht, den Kontakt mit Deutschen. Auch hält er sich noch immer nicht gerne in Deutschland auf.
Eduard Kornfeld wird Nacht für Nacht furchtbar von Träumen verfolgt: „Oft träume ich davon, dass ich in Auschwitz-Birkenau bin. In einem Raum des Krematoriums. Und ich weiß, dass ich gleich in die Gaskammer komme. Wir werden hineingeschoben. Ich überlege wo ich mich verstecken kann. Aber es gibt keinen Ausweg. Die SS treibt uns in die Gaskammer. Ich wache schweißgebadet auf“ !
Eduard Kornfeld ist nur einer von endlosen Beispielen die ich hier und jetzt aufführen könnte…

(Quelle: Vergiss deinen Namen nicht. Die Kinder von Auschwitz / Alwin Meyer)

Mehr:
http://www.fotocommunity.de/user_photos/1694560?sort=new&folder_id=671134


HDR Variante ohne Doppelbelichtung...

K1600_034 (2)_HDR
K1600_034 (2)_HDR
Stefan Schwetje

Commentaire 12