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Schneevogel


Premium (Pro), Bodensee

Alpenglühen

Ist schon eine Weile tot, der Karl Mayer, aber seine Worte treffen absolut zu:

Das Alpenglühen

Die Mittelhöh’n, der See, die Matten
Sind schon versenkt in Dämmrungsschatten;
Doch dein Gebirg, erhabne Schweiz,
Ist nun umgossen erst von Reiz.

Ein rosenschimmernd Feuerglühen
Sieht man an seinem Schnee entsprühen;
Die Sonn‘, uns längst verglommen schon,
Steigt dort noch lange nicht vom Thron.

Wer kann des Bildes Pracht ermessen?
Wer, der es sah, kann es vergessen?
Entzücken übermannt das Herz. –
Der Zauber schwindet, uns zum Schmerz.

Was wird aus Schnee- und Rosenfarben,
Wie sie allmählig nun erstarben?
Ein geisterhafter Leichenschein,
Bleich, grünlich scheint er fast zu sein.

Das Herz wird fast berührt von Schauer.
Doch ist auch dieser nicht von Dauer.
Wer kann es glauben: noch einmal
Scheint das Gebirge rot zu Tal.

Ein Nachglühn wollt‘ es uns noch geben;
Nun schließt des Tages hohes Leben.
Der graue Vorhang niederfällt
Um deine Pracht, o Alpenwelt!

Karl Mayer, 1854

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