Alfons Gellweiler


Premium (Pro), Aalen (BW)

Singe, wem Gesang gegeben

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Leider war es Kurt versagt, die erlebte Diskrepanz zwischen dem pathetischen Gesangsvortrag und der ironischen Brechung am Ende des Liedes von der Loreley im Photo festzuhalten. Bewegte Bilder mit Ton würden die augenzwinkernde Demontage des romantischen Mythos dem empfänglichen Zuhörer und Zuschauer eventuell vermitteln können. Mit dem Einzelbild der Leica war das nicht zu machen.

Morgen früh, wenns Gott will,
Wirst du wieder geweckt.

Damit schloss der Abend. Kurt applaudierte heftig; er war das Publikum. Er weilte gern unter Amateuren, unter Menschen, die liebten, was sie betrieben. Für ihn war der Begriff keineswegs negativ besetzt, im Gegenteil. Die Musik etwa war mitten im richtigen Leben angesiedelt. Willi hatte vor zwei, drei Stunden noch in der Werkstatt an Autos geschraubt, andere hatten an der Drehbank gestanden oder im Büro an der Schreibmaschine ihr Geld verdient. Die Sängerinnen hatten sich zwischen Herd und Bügelbrett mit den Hausaufgaben ihrer Kinder beschäftigen müssen. Ihre täglichen Scherereien und Niederlagen brachten sie alle mit in den Chor, ebenso ihre kleinen Triumphe und ihren Witz. Die Hände des Dirigenten wiesen ihnen den Weg zu diesen magischen Worten und Klängen, entführten sie für eine Stunde aus ihrem profanen, am Nützlichkeitsprinzip orientierten Alltag in diese wunderbare, der Realität enthobene Gegenwelt der Lieder. Diese Amateure kamen nicht aus einer Kunstwelt, die nicht die seine war. Und diese Nähe zum Leben tat Kurt gut, das ästhetisch gelegentlich etwas Unperfekte empfand er als lebendig. (1970)

(Textauszug, Blende acht, die Sonne lacht)

https://www.fotocommunity.de/photo/titeltb-alfons-gellweiler/47463887


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Wer den Rhythmus hat, regiert.
Wer den Rhythmus hat, regiert.
Alfons Gellweiler

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