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" Sint Pieters-Voeren "

" Sint Pieters-Voeren "

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" Sint Pieters-Voeren "

..................Fouron saint Pierre.................

Hahn oder Löwe
© DIE ZEIT, 24.10.1986 Nr. 44

Ein Bürgermeister heizt den Sprachenstreit in der Gemeinde der Fourons an VonRobKieffer

Als der Mann mit einem knappen „goeden dag" ins Cafe „Le Pegase" eintritt, verstummen die Gespräche am Tresen, die Billardspieler legen die Stöcke nieder, der Wirt und seine Frau blicken sich verstohlen an. Man spürt: der Gast, ein Steuerprüfer der flämischen Provinzverwaltung, ist in dieser von Wallonen frequentierten Kneipe in Fouron-Saint-Pierre/Sint-Pieters Voeren alles andere als willkommen. Der Beamte scheint solch eisigen Empfang gewohnt zu sein, unbeirrt rückt er seine Krawatte zurecht und läßt sich vom Wirt zu dem Glücksspielautomaten und dem Tischfußballgerät führen, wo er die steuerpflichtigen Einnahmen notiert. Die Zungen lösen sich erst wieder, als der Flame die Wirtsstube verlassen hat. Die Wirtin zischt hinter ihm drein: „In den flämischen Gaststätten drückt er immer ein Auge zu. Uns aber schikaniert er!" Böse Worte gelten dem „sturen und fanatischen Flaminganten".

Die Szene ist typisch für die Stimmung in dieser Gegend. Nirgendwo sonst in Belgien hat der Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen zu so haßerfüllten und innenpolitisch brisanten Fehden geführt wie hier in der Gemeinde der Fourons (flämisch: Voeren), einer Ansammlung von sechs Dörfern auf knapp 40 000 Quadratkilometern zwischen Lüttich und dem holländischen Maastricht. Dieses „Stachelschwein im Garten der belgischen Politik", wie es der frühere Premierminister Gaston Eyskens genannt hat, versetzt den Landesvätern noch immer schmerzhafte Stiche. In diesen Tagen scheinen die Stacheln wieder einmal besonders spitz. Im Mittelpunkt verschärfter Auseinandersetzungen steht Jose Happart, seit 1982 Bürgermeister der Gemeinde, für die Wallonen ein „Volksheld", für die Flamen ein „Terrorist".

Bis in die sechziger Jahre waren die Fourons, damals noch zur französischsprachigen Provinz Lüttich gehörend, in ihrer dörflichen Abgeschie^ denheit ein friedliches Fleckchen; die etwa 4000 Einwohner, Flamen und Wallonen, hegten nicht gerade brüderliche Sympathien füreinander, kamen aber miteinander aus. 1963 wurde der Frieden nachhaltig gestört, ausgerechnet durch eine politische „Flurbereinigung", mit der die belgische Regierung, der Sprachenquerelen im Königreich überdrüssig, die Hitzköpfe in den beiden Bevölkerungsgruppen des Landes ein für allemal unter Kontrolle zu bringen gedachte: Fortan nämlich verlief die Grenze zwischen Wallonien und Flandern wie mit dem Lineal gezogen; im nördlichen Flandern wurde das Niederländische zur Landessprache erklärt, im südlichen Wallonien das Französische, und für die Hauptstadt Brüssel tüftelte man einen komplizierten Zwei-Sprachen-Status aus. Mit diesem Kuhhandel wurde auch über das Schicksal der Fpurons entschieden: Die sechs Dörfer wurden der Province de Liege entrissen und der flämischen Provinz Limburg einverleibt mit der Folge, daß sich die wallonische (Zweidrittel-)Mehrheit von nun an einer flämischen Verwaltung fügen mußte.

Die Fourons kamen nicht mehr zur Ruhe. Flaggte man hier den „gallischen Hahn", zog man dort den „flämischen Löwen" auf. Über den Piratensender Radio Fouron forderten die Frankophonen verbissen ein „Retour ä Liege", ein Zurück zur wallonischen Provinz Lüttich. Die Flamen, froh darüber, nun in verwaltungstechnischen Fragen das Sagen zu haben, triumphierten ihrerseits

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