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Spargelanbau - zwischen Genuß und Ausbeutung

Spargelanbau - zwischen Genuß und Ausbeutung

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Hermann-Josef Kronen


Premium (Complete), Korschenbroich

Spargelanbau - zwischen Genuß und Ausbeutung

von meinem ehemaligen Berufskollegen Karl Sasserath folgende Erläuterung zum Titel:
Mein persönlicher Wochenrückblick
Warum deutsche Erdbeeren und deutscher Spargel für mich flach fallen.
Im Zuge steigender Inzidenzien und sich füllender Intensivstationen gehen mir der deutsche Spargel und deutsche Erdbeeren nicht aus dem Sinn. Richtig, deren Saison steht vor der Tür. Die ersten Kartoffeln mit frisch gestochenem Spargel und zum Nachtisch frische Erdbeeren. Geht auch vegan, also den Spargel ohne Butter und die Erdbeeren ohne Schlagsahne...Dass ich bis auf weiteres keine Deutschen Erdbeeren und keinen deutschen Spargel anrühren werde, verdanke ich Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Klöckner und dem CDU/CSU/SPD geführten Bundeskabinett. Wieso? Ganz einfach, deutscher Spargel und deutsche Erdbeeren, die zu miesesten Bedingungen von schlecht bezahlten Saisonarbeiter*innen gepflügt werden, wollen mir einfach nicht mehr schmecken. Da hilft mir jetzt auch keine falsche Hofladenromantik, wenn auf dem bäuerlichen Hof, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen, Saisonarbeiter*innen ohne gesetzlichen Krankenversicherungsschutz, die in miesen Sammelunterkünften hausen müssen, für einen Hungerlohn deutschen Spargel oder deutsche Erdbeeren im Akkord ernten.
Das Ganze will mir nicht schmecken. Erinnert es mich doch an die armen Hühner in den Legebatterien, die eingestürzten Textilbetriebe in Bangla Desh, die LKW - Fahrerinnen bei Zalando, Amazon oder Espirit/Fiege oder die Saisonarbeiter*innen in der Fleischindustrie. Und das verdirbt mir den Appetit auf frischen Spargel und Erdbeeren von deutschen Feldern. Und daran ist ausgerechnet die Bundeslandwirtschaftsministerin, das Bundestagskabinett und die Mehrheit im deutschen Bundestag schuld. Ich kaufe einfach kein Pfund Spargel mehr 10 Euro oder mehr aus regionaler Produktion, wenn die Saisonarbeiter*innen, die ihn ernten, nicht ab der ersten Arbeitsstunde gesetzlich kranken- und sozialversichert sind. Von politischen Parteien erwarte ich, dass sie Sorge dafür tragen, dass ich mir meine Erdbeeren und meinem Spargel schmecken lassen kann. Das gilt übrigens auch für mein Frühstücksei und Putenschnitzel, das nach Fischmehl schmeckt, mag ich auch nicht. Genauso wenig wie Zustände, wo LKW-Fahrer*innen ausgebeutet werden und dazu keine akzeptablen Sanitäranlagen oder Erfrischungsräume vorfinden. Darum sollte sich eine Stadt, die sich mit Faire-Trade-Siegel schmückt, kümmern.
Und, weil das meine Meinung ist, möchte ich mir auch von keiner Partei vorschreiben lassen, dass ich mir zuerst von einem Parteivorstand, den das alles nicht interessiert, vorschreiben lasse, ob ich mich öffentlich dazu äußern darf, weshalb mir der deutsche Spargel oder die deutschen Erdbeeren nicht schmecken. Ich werde mir von Rechtsanwält*innen, Funktionären, Beamt*innen, Behördernvertreter*innen, Politiker*innen, Kirchenvertreter*innen, Elternhäusern, Parteigremien, Pensionär*innen, Medienvertreter*innen oder Menschen, deren Großvater ich sein könnte u.a.m. mir mein Recht auf freie Meinungsäußerung nicht beschneiden lassen. Punkt! Und ich möchte Euch bitten, bei den kommenden Wahlen nur solche Personen und Parteien zu wählen, denen Ihr zutraut, dass sie solche Zustände anpacken, verändern und abstellen werden.
Vielleicht werdet Ihr Euch fragen, weshalb ich dieses Bild, meinem Wochenrückblick hinzugefügt habe. Es ist der Schrei des Malers Edvard Munch. Er hat es immer wieder gemalt. Es kam mir bei alledem, was mich in der vergangenen Woche bewegte, in den Sinn. Es fiel mir wie von selbst ein. Vor etlichen Jahrzehnten begegnete mir dieses Bild während meiner Schulzeit. Ein Lehrer, dem ich viel verdanke, stellte uns vor die Aufgabe dieses Bild zu beschreiben. Vielleicht kommt mir das Bild in den Sinn, weil ich in einer Zeit lebe, in der vielen Menschen zum Schreien zu Mute ist. Eltern, die nicht mehr wissen, wie sie das alles vereinbaren sollen, junge gut ausgebildete Menschen, zumeist Frauen, die sich fragen, ob es noch eine Berufsperspektive gibt? Künstler*innen, die schon seit mehr als einem Jahr nicht auftreten oder ihren Beruf ausüben konnten, Gastronomen und Gastwirten, die seit genauso so langer Zeit keine Gäste mehr gesehen haben...
Es gibt Zeiten, wo vielen Menschen zum Schreien zu Mute ist. Wo es viele Gründe gibt, die uns Gefühle geben, schreien zu müssen. Die Menschen das Gefühl vermittelt, in einer Situation und Zeit zu leben, die zum Schreien ist, wo einem zum Schreien zu Mute ist, - es gleichzeitig aber gefährlich ist, diesem Bedürfnis nachzugeben...
Da hilft nur darüber nachzudenken, was es ist, das Menschen in die Situation bringt, zu glauben für sich und viele andere, unvermittelt schreien zu müssen. Die Corona - Pandemie stellt Menschen vor sehr unterschiedliche Herausforderungen und Belastungen. Das sollten wir nicht vergessen. Und darüber müssen wir sprechen.
Passt auf Euch auf und bleibt gesund. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein schönes Wochenende.

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