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^ Überlebenskampf auf 3000m: Nacht, Morgen und Abstieg ^

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David Kaplan


Free Account, Schwarzenberg

^ Überlebenskampf auf 3000m: Nacht, Morgen und Abstieg ^

Während dem Fotografieren ist in nicht abschätzbarer Distanz vor mir über dem 2km-Abgrund etwas grösseres schwarzes lautlos vorbeigeflogen. Ich konnte es erkennen, weil die Sterne sich verdunkelt haben. Ich hatte dafür keine Erklärung.

Donnerstag, 29.12.2011
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Um 23 Uhr sind wir dann in den Schlafsack. Ringsherum war alles abfotografiert und am Licht würde sich bis zum Morgengrauen nichts mehr ändern. Schon eine Stunde später änderte sich das Wetter schlagartig. Ab Mitternacht fielen die Temparaturen um ca. 1° pro Stunde und der Wind beschleunigte sich auf ungemütliche 60-80km/h. Irgendwann mitten in der Nacht begann es dann auch zu schneien. Balz kam dann in den Sinn, dass seine beiden Kameras (5DII und 1DIII) noch draussen am Time-lapsen waren. Bei diesem furchtbaren Wetter musste er raus um sie ins Zelt zu holen. Er brachte zwei Eisblöcke . Er selber war auch nicht in viel besserer Verfassung. Sein Höhenkoller wurde immer stärker. Er hatte Kopfschmerzen, Übelkeit und es fröstelte ihn auch in seinem angeblichen -10°-Komforttemparatur-Schlafsack. Darum haben wir die Schlafsäcke getauscht. In meinem Mammut Ajungilak Tyin 5-season 200 hatte er warm und ich hielt es in seinem bis zum Tagesanbruch aus.
Das Zelt rüttelte hin und her. Wir bereiteten uns auf den Ernstfall vor: Falls das Zelt nicht halten sollte, hätten wir in der Nacht runter zur überdachten Gondelbahnstation laufen müssen. Die ganze Nacht ging es so weiter.
Der Höhepunkt war dann ausgerechnet bei Tagesanbruch erreicht. Wir mussten aber unbedingt runter, bevor wir ganz eingeschneit waren. Angezogen und gepackt haben wir alles im Zelt. Um ca. 8:30 Uhr gingen wir das erste mal raus. Es schneite zwar nicht fest, dafür fast horizontal. Schneeschuhe und Stöcke waren zum Glück nicht ganz eingeschneit, so dass wir nicht lange suchen mussten. Die Temparatur war dann noch etwa -15°. Sehr schnell packten wir das Zelt zusammen. Leider wurde der Zeltsack weggewindet, so dass wir das Zelt nur in den Unterboden einwickeln konnten und aussen am Rucksack befestigen mussten.
Die Sicht betrug grösstenteils um die 10-20m. Wir hatten es mit einem Whiteout zu tun. Kurz bevor wir an den Abstieg gingen, sah ich wieder etwas schwarzes in einiger Entfernung über die Schneeoberfläche huschen. Auch diesmal war ich ratlos, was das hätte sein können.
Nichtsdestotrotz machten wir uns an den Abstieg. Unsere Spuren waren leider nicht mehr zu sehen, aber die 300m bis zum Skilift waren trotzdem ohne grössere Umwege zu schaffen. Die erste von zahlreichen Fata-Morganen manifestierte sich in Form eines Pistenfahrzeuges, welches eigentlich ein nicht mit Schnee bedeckter Felsbrocken war . Einmal beim Skilift angekommen, konnte man sich praktisch nicht mehr verlaufen. Mit Freude stellten wir fest, dass der Skilift in Betrieb war. Wir hatten nämlich Angst, dass die Seilbahn bei diesem stürmischen Wetter nicht in Betrieb gesetzt wird und wir in der Seilbahnstation festhängen würden, bis das Wetter sich bessert. Von Menschen war jedoch noch keine Spur zu sehen. Leider ging der Abstieg nicht wesentlich schneller als der Aufstieg. Etwa in der Hälfte des Abstiegs haben wir nun beide dieses schwarze Etwas über die Skipiste fliegen sehen. Balz hatte eine Vermutung: Es könnte der Zeltsack sein. Balz sollte Recht behalten: Wir konnten es einholen und tatsächlich, es war der Zeltsack. Es ist kaum zu glauben: Dieser Sack ist die ganze Nacht lang herumgewindet worden. Die eine hälfte der Nacht war Westwind, die andere Ostwind. Der musste viele Kilometer zurückgelegt haben. Und am Morgen landet er dann praktisch vor unseren Füssen auf der Skipiste. Sowas kann man fast nicht mehr rational erklären . Unsere Freude wurde aber gleich wieder getrübt: Der Skilift wurde angehalten. Offenbar war es nur ein Testlauf, um der Vereisung gegenzuhalten. Nun ja, wir hatten genügend Proviant dabei und auch über einen Kocher zum Auftauen von Schnee verfügten wir. Nach einer weiteren halben Stunde voll quälender Ungewissheit kamen wir endlich bei der Seilbahnstation an, die uns zurück zur Zivilisation bringen sollte. Wir vernahmen die Stimmen von zwei Österreichern aus dem Nebel kommen. Diesmal war es keine Fata Morgana. Es waren tatsächlich Leute hier oben, die Ski fahren wollten. Wir waren noch nie so froh, andere Menschen zu sehen. Mit Freude vernahmen wir, dass die Seilbahn mit reduziertem Tempo in Betrieb war. Der Bahnwärter erwartete uns bereits. Die Skipistenkontrolleurin, die uns am Vortag noch nach unseren Plänen ausgefragt hatte, muss dies dem Personal weitergesagt haben. Es müssen am Morgen noch zwei "Sternenfotografen" runterkommen, hiess es.
Mit grosser Zufriedenheit genossen wir die Fahrt in der Gondel, wo wir uns endlich aufwärmen konnten.
Mit grossem Entsetzen stellten wir dann aber fest, dass der Skibetrieb vor allem ab Crap Sogn Gion ganz normal weiterlief. Die Gondeln waren überfüllt mit skiwütigen Wintersportlern. Wir fragten uns ernsthaft, wer bei solchem Wetter freiwillig aus dem Haus geht. Auch auf 2000m betrug die Sicht höchstens 100m und die Temparatur war um die -10°. Naja, uns konnte es ja egal sein. Glücklich und zufrieden sind wir vom nebeligen und verschneiten Alpennordhang Richtung Flachland zurückgefahren.

Hinter uns lag der wohl verrückteste Ausflug unseres Lebens.

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David Kaplan

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Dossier Schweiz
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Exif

APN NIKON D700
Objectif ---
Ouverture 2.8
Temps de pose 1280
Focale 14.0 mm
ISO 1600

Plébiscité par