Runzelkorn


Premium (Basic), España

Vom wahren Ende des Jakobswegs

Die weiße Sonne brannte uns heiß und unbarmherzig
aufs Hirn. Der Mund war trocken wie Reiswaffeln, der
Magen brummte eine hohle Sinfonie, und die Füße
peinigten aufgeplatze Blasen, die bei jedem Schritt
schmerzhaften Protest einlegten. Bis nach Santiago
de Compostela waren es nur noch wenige Kilometer,
doch der verfluchte Jakobsweg zeigte sich von seiner
staubigen, unerträglichen Seite. Und wohl nur wir
hatten diese Strapazen zunächst klaglos auf uns
genommen. Auch die Landschaft rundum war nur
heiß, staubig und leer - kein Haus, kein Hof, kein
Mensch, einfach nur nichts. Und doch! Aus dem
entfernten Nirgendwo drang ein dünnes Stimmchen
an unser Ohr. "Kommt her!" rief es, und immer wieder
"Kommt her!" Hypnotisch folgten wir ihm zu der verfallenen
Hütte, die plötzlich unerwartet aus dem Boden wuchs.
Erleichtert flüchteten wir in den kühlenden Schatten.
Gastfreundlich lud ein gedeckter Tisch zu Tapas und
erfrischendem Wasser. Nur ein antikes Bild des Heiligen
Jakobus sah von der ausgebleichten Blümchentapete
hochnäsig auf uns herab. Und plötzlich begann es, in
tiefstem Bariton zu reden. "Judas", rief es, "Judas,
wir haben Gäste." Knarrend öffnete sich die Küchentür,
und ein kahler Schädel schenkte uns ein zahnloses Grinsen:
"Kommt her!" beschied er uns, "wir warten schon." Auch
die anderen zehn Jünger hätten reichlich Appetit, schon
seit Jahrhunderten. Brav und tapfer folgten wir ihm in
die Küche, wo heißes Fett bereits in riesigen Pfannen
brodelte, während Judas Iskariot weiter pflichtgetreu
die langen Messer wetzte. Und ich wußte sofort, daß die
Zukunft viel zu kurz sein würde, um Euch, die Ihr demnächst
diesen Weg gehen werdet, noch warnen zu können...




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