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Weihnachtsgedanken I

Der Engel

Vor langer Zeit lebte nahe einem See ein Mann. Früh am Morgen befestigte er seinem Esel zwei Weidenkörbe auf dem Rücken und rief:

"Wir müssen eilig in die Stadt! Bis zum heiligen Abend haben wir noch viel zu tun."

Er zog fest an dem Strick, mit dem er seinem Esel auf den tief verschneiten Weg führte. Doch der Esel blieb stehen.
"Störrisches Biest", murrte der Mann. Und er gab dem Strick schimpfemd einen Ruck, doch der Esel stand still, die langen Ohren weit nach vorn gerichtet. Versunken lauschte er der Stimme eines Engels.

"Kannst Du mir sagen, was Weihnachten ist?" fragte der Esel den Engel. "Mein Herr steht zurzeit niemals still."

"Die Menschen sind in der Weihnachtszeit auf der Suche nach Geschenken, aber bei all ihrer lauten Geschäftigkeit und in ihrer Eile finden sie nicht, was ihnen wirklich fehlt."

"Warum finden sie es nicht?"

"Weil sie nicht auf die leise Stimme ihrer Seele hören." Dann schwieg der Engel lange.

Der harte Ruck an seiner Nase erinnerte den Esel an seinen Herrn und an die Kälte.
"Ich möchte nach der Stimme ihrer Seelen suchen", sagte er und sah den Engel an.

"Was sagt sie ihnen?"

"Der Weg führt durch den Winter", sprach der Engel leise,"du hast die Gabe, in die Stille zu lauschen, das ist alles, was wichtig ist."

Dann verschwand der Engel in der Dunkelheit, so unbemerkt von dem Mann wie der Silberschimmer, der im Grau des Eselsfell zurück geblieben war.



(Auszug aus Weihnachten - Zeit der Stille - Zeit der Sehnsucht nach H.Ch. Andersen)


Mit diesen ersten Gedanken zur Weihnacht wünsche ich allen eine ruhige Nacht ..... und so fern ihr möchtet erzählt der Esel weiter .....


lg@all


- a storyteller -

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