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Das „Austriafenster“ von der Pariser Weltausstellung

Das „Austriafenster“ von der Pariser Weltausstellung

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Franz Svoboda


Premium (Complete), Wien

Das „Austriafenster“ von der Pariser Weltausstellung

(Österreichische Illustrierte Zeitung, Heft 10, Jg. 1900, S 207f)

„Eine Verherrlichung der Austria bringen wir in dem beifolgenden Bilde, welches viele unserer Leser aus der vor kurzem geschlossenen Centenarausstellung in Paris kennen werden.

Es ist dies der Mittelteil einer großen, fast 30m Langen Portalkrönung der von dem Wiener Architekten Alex. Deczew erbauten Spezialausstellung der österreichischen Seiden- und Bekleidungsindustrie, welche unter der tatkräftigen Leitung der Herren Theod. Bujatti und Pet. Habig entstanden und einer großen Anzahl der Ausstellungsbesucher eine hochbedeutende Illustration der Leistungsfähigkeit österreichischer Industrie gebracht hatte. Das in reicher moderner Schmiedeeisentechnik von Valer. Gillar hergestellte Portal trägt in der Mitte das hier dargestellte, von dem Maler Ed. Veith componierte Gemälde, welches mit Beziehung auf den Gegenstand dieser Ausstellungsgruppe folgender Gedankengang entspricht: Die Bekleidungsindustrie findet auf der rechten Seite in den ersten Anfängen der Bekleidung einer überaus zart empfundenen und decent gehaltenen weiblichen Figur durch Schuh und Hut ihre Darstellung. Und wird auf der linken Seite durch die Arbeit (Figur mit der Spindel) und die Eitelkeit, welche triumphierend den Spiegel als ihr Attribut hochhält, ergänzt und auf den Luxus verwiesen, dem nicht nur Linnen allein genügt, sondern Seide in reichdessinierten Webern geboten werden muss. Thatsächlich finden wir auch im unteren Theile dieser Gruppe den Seidenhandel im innigen Verkehre mit Merkur, während die thronende Austria, vom Reichsadler bekrönt, majestätisch und ernst auf den Besucher blickt.

Aber auch in dem seitlichen Randornamente wurde versucht, einen gewissen Hinweis auf die Industrie zu geben. Sehen wir einerseits die Feigenblätter als erste Bekleidung des Menschen, so rankt sich andererseits der Maulbeerbaum hinauf, beide durchzogen von den Stielen der sich nach oben zum Kreis schließenden den Pfauenfedern als Symbole von Stolz und Hoffart. Diese Ornamente verdanken dem Fräulein Grethe Unger (Tochter unserer Meisterradierers) ihre Entstehung, welche ihre Aufgabe in äußert gelungener Weise gelöst hat. Nach beiden Seiten klingt dieses Bild in eine schwungvolle, sich weithinziehende Flächendekoration aus, deren hauptsächlichstes Motiv wir schon hier im Feigen- und Maulbeerbaum und den Pfauenfedern finden, überragt, von Kugeln und Kaiserkronen mit weitausladenden Adlerflügel und kaiserlichen Initialen (diese Randornamente wurden bei der Installation im aktuellen Gebäude verändert; die Pfauenfedern fehlen!). Trotz der modernen Composition des ganzen Werkes und der grandiosen Verwendung des für uns noch neuen amerikanischen Tiffany-Glases ist streng jede Ausschreitung der Secession vermieden. Lebhaft in der Farbe und unter Anwendung verschiedener Kunststücke der Glastechnik verdankt dieses grandiose Werk ebenfalls einer weit über die grenzen ihres Vaterlandes bekannten Firma, der Geyling`schen Glasmalerei, ihre Ausführung, welche unter großen Opfern dieses Ausstellungsstück würdig ihres Renomée und würdig dem Platz hergestellt hat, wenn es auch leider durch ein ungünstiges Placement in der Industriehalle nicht so glänzend zur Geltung kommen konnte, als es verdient hätte. …..“

Der in Wien lebende Maler Eduard Veith (1856-1925), der Entwerfer des Glasgemäldes, war Schüler der Wiener Kunstgewerbe-Schule unter Ferdinand Laufberger, dem Entwerfer des Rotunden-Austria-Fensters. Veith denkt noch als Maler von Ölgemälden und nicht – wie Leopold Forstner – als Glasmaler, der im Material denkt. Dieses Konzept, das von der Glasmalerei des Historismus herrührt, zeigt sich in den plastisch gemalten, unbedeckten Körperpartien der Allegorien. Im gesamten Erscheinungsbild ist die Komposition aber doch flächig. Trotzdem wirkt das Bild heute, durch das Fehlen der im Zeitungsaufsatz beschriebenen Randornamente, von der Wand, in die es eingelassen ist, isoliert.

"Austria"
"Austria"
Franz Svoboda

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