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Klacky von Auerbach


Premium (World), aus dem sonnigen WestWing

Dash mit Frame

Dash mit Frame

Dieses Framebild kommt schon heute, weil Ruth morgen nicht da ist und mein Leben dann keinen Sinn hat. Ich werde wieder ins Wasser gehen.


Aber vorher erzähle ich noch eine kleine Geschichte zum Bild.

Es war einmal ein Mann, der war schon ein bißchen alt und vergeßlich.
Eines morgens schlich er sich aus dem Haus, denn er wollte in seiner Lieblingskneipe ein Pils trinken.
Bei all dem Durst merkte er nicht, daß er im Bademantel und in Pantoffeln die Straße entlangging, und das bei herbstlichen Temperaturen.
Es war der 31. Oktober, Halloween also.


In der Kneipe angekommen, gab es ein kräftiges Hallo, denn man hatte Herbert, so hieß der Mann, schon lange nicht mehr gesehen und ihn auch am Vormittag eigentlich nicht erwartet.
"Tu mich ein Pils, bitte," sagte er zum Wirt. Der tat, wie ihm geheißen.


Herbert, ein pensionierter Fotograf, fing am Stammtisch gleich an zu fachsimpeln. Er redete von Abwedeln, Nachbelichten, Entwickler und Fixierbad, aber keiner wollte ihm so richtig folgen.
Die anderen sprachen von USM, HDR, Pano, Strip, und einer erzählte was von Dash. Das sagte Herbert was, und er rief gleich zum Wirt rüber "Tu mir mal noch so'n Dash Bier in mein Glas!" Der tat, wie ihm geheißen.
So ging das mehrmals, bis die Kumpels begriffen, daß Herbert nix Dash und noch weniger vom Nine Line Dash was kapiert hatte.


"Hä?" stieß Herbert aus, "wat soll'n der Quatsch? Entweder ich mache ein Bild oder ich mache noch ein Bild. Aber zwei Bilder ein einem Frame? Kinders, hört mir auf mit dem Kokolores, Ihr wollt mich nur verkackeiern."
Herbert prostete den Kumpels zu und sie ihm.


Aber die Kumpels ließen nicht locker und erläuterten dem alten Herbert ganz genau, worauf es bei dieser neuen Kunstform ankäme. Sie verstiegen sich sogar so weit, bei alten Malern mit den Altarbildern und Triptychons Anleihen zu machen, um den neumodischen Kram intellektuell zu verbrämen.


Herbert wurde ärgerlich und bestellte sich sein fünftes Pils.
„Kinnings,“ sagte er, „bei einem guten Bild hat der Betrachter schon genug zu tun, sich das Werk mit allen Details anzusehen. Bei zwei Bildern in einem Frame rast das Auge doch nur hin und her. Oder ist das was für Kinderbilderbücher?“


„Nein, nein,“ riefen die Kumpels, auch sie waren schon beim übernächsten Bier und entsprechenden Schnäpsen angelangt und wurde immer eifriger.
„Das ist eine ganz neue Kunstform, die kommt groß raus, und die Museen werden sich um die Taten reißen.“


Nun wurde Herbert nachdenklich. Er wollte ja nicht als rückständig gelten. War er doch damals schon so fortschrittlich gewesen und hatte mit Cibachrome gearbeitet, und das mit durchaus ab und an vorzeigbaren Resultaten.
Herbert fing Feuer, brauchte aber noch Stoff für neue Ideen.
„Wirt, haste nix Anständiges, mit Kawumm oder so?“ Der Wirt grübelte kurz, sah Herbert etwas zweifelnd an, bückte sich dann aber doch und holte eine Flasche unterm Tresen vor.
Trollinger stand drauf, Anbaugebiet Bahndamm Nord, Fellbach.
Als er mit der Flasche und einem Weinglas an den Tisch ging, langte Herbert gleich nach der Flasche. „Die läßte mal hier, verrechnen tun wir später,“ meinte er zum Wirt.


Und so ging ein Gläslein des Trollingers nach dem anderen, durch Herberts Kehle. Von der Wirkung hatte Herbert allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung.
Und die Ideen für ein Dash flogen ihm nur so zu, Mann, was war Herbert auf einmal aufgeschlossen, modern und kreativ.


Am späten Nachmittag, die Sonne schien so schön, trollte Herbert sich nach Hause.
Angesichts seiner Schlangenlinien hatten seine Kumpels noch einen Rollator besorgt, das erleichterte ihm den Heimweg.

„Dash, hi hi,“ brabbelte Herbert vor sich hin, „Ihr werdet Euch über den ollen Herbert noch wundern ...“

Zu Hause angekommen, setzte er sich vor die Haustür und genoß noch ein wenig die Abendsonne udn träumte vor sich hin.
Einmal ein Bild von sich in einem berühmten Museum zu sehen, das war doch schon immer Herberts Lebenstraum gewesen.
Die Metzgerzeitung hatte mal wegen eines Bildes bei ihm angefragt, aber zum Deal kam es nicht, noch weniger zur Veröffentlichung, denn Herbert fand das Negativ nicht mehr.
Einmal hatte er in einer großen Fotozeitung, das war in diesem Jahr, ein Bild gesehen und hätte wetten können, daß es von ihm war. Von vorne bis hinten alles scharf, Landschaft, gelber Himmel, grüner Raps und blaue Stengel, klassische Sommerfarben also.
Herbert merkte nicht, wie die Wirkung des Trollingers sich verdichtete.
Er wußte nur noch, daß das Bild auf krummen Wegen in die Zeitung gekommen sein mußte, nicht mal mit seinem Namen.
Dabei schlief er ein.

Die Kinder, die abends mit Trick-or -Treat-Rufen vorbeikamen, stupften ihn an und riefen entzückt aus:
"Hach, das ist ja mal ne geile Halloween-Deko!"
Fritzchen klaute den Rollator, setzte seine kleine Schwester rein, deckte ein weißes Betttuch drüber, und so rasten die beiden laut quietschend als Gespenst duch die Siedlung.


In der Nacht fielen die Temperaturen und der erste Schnee.
Am nächsten Morgen sah der Briefträger den alten Herbert im Bademantel und Puschen vor der Haustür sitzen. Er war von Schnee bedeckt und stocksteif.
Herbert war tot, friedlich entschlafen bei der Suche nach dem Sinn des Dashs.
Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln und darüber ein Dash - Schnee.

Als seine Kumpels das hörten, schufen sie ihm und ihm zu Ehren seinen ersten Dash, das ist der, den Ihr hier oben seht. Sie hielten sich dabei nicht ganz streng an die Regeln.


Und die Story ist wirklich wahr, zumindest fast ...

Der Trollinger auf dem Dash Frame stammt von Waldi, das Pils für Herbert spendete Ruth.

Hier seht Ihr Herbert am 1. November:

Herbert am 1. November auf der vergeblichen Ausschau nach dem Dash
Herbert am 1. November auf der vergeblichen Ausschau nach dem Dash
Klacky von Auerbach

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