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F. Paul


Premium (Basic), Mainz

Die Heilige Nacht

hat sich über die Vorberge des Harzes gesenkt, als der letzte Zug des Tages bereitsteht, diese zu erklimmen, durch die immer dunkler werdenden Fichtenwälder zu dampfen, bis das der Endbahnhof des in weihnachtlicher Stille liegenden Harzstädtchens erreicht ist. Der Zubringer ist gerade eingefahren, ein paar Reisende sind ausgestiegen, haben die steilen Stufen der kleinen Wagen erklommen und ihre Plätze in den in gemütliches Halbdunkel getauchten Abteilen eingenommen. Verklärte Mienen voller Vorfreude auf die Weihnachtstage, ein jeder macht es sich in seiner Ecke bequem und denkt an die schöne Zeit, welche nun bevorsteht. Auch ein paar Kinder sind dabei und sorgen mit ihren erwartungsfrohen und etwas ungeduldigen Fragen für ein Durchbrechen der Stille.
Wenig später ruckt der Zug auch schon an, langsam rumpeln die Wagen hinter der bullernden Mallet über den Bahnübergang und verschwinden in der Dunkelheit der Nacht. Träge hängen die Insassen ihren Gedanken nach, gleich werden die ersten sanft einschlummern. Da, plötzlich ein Ruck, und der Zug steht. Irgendetwas ist passiert, alle sind aufgeschreckt. Erregte Stimmen sind von draußen zu vernehmen, der Zugführer ist nach vorne gelaufen, man hört nur etwas von Triebwerksschaden und "Abbauen der Treibstangen". Mit ernster Miene betritt er nun den Wagen, und kündigt einen längeren Aufenthalt an. Aussteigen? Durch den Schnee laufen, so etwa 15 Kilometer? Mit Gepäck? Der Lokführer hat sich in die Zugmeldeleitung eingeklinkt und den Zugleiter mit seiner schlechten Nachricht aufgeschreckt. Ersatzlok? Keine angeheizt, kein Personal verfügbar. Trotzdem verspricht er, bei den in Frage kommenden Eisenbahnern zu klingeln. Beim Taxibetrieb hat er auch schon angerufen, dort meldet sich aber niemand. Die Kinder werden unruhig, ahnen, daß sie den Weihnachtsmann wohl verpassen werden. Wirklich?
Eine halbe Stunde später: Die Treibstangen sind abgebaut, das Feuer soweit verringert, immerhin funktioniert noch die Heizung. Sonst ist nichts passiert, vom Zugleiter fehlt jede Nachricht.
Doch was ist das? Über den sternklaren Nachthimmel gleitet ein Schlitten. Der Weihnachtsmann! Mit dem Mute der Verzweiflung wird die Dampfpfeife betätigt, ein gewaltiger SOS-Pfiff dringt durch den stillen Wald bis zu dem dahingleitenden Schlitten empor. Und - der wendet und landet neben dem Zug! "Hohoho!, was macht ihr denn da mitten im Wald? Was, die Lok ist kaputt?" Der Blick des Weihnachtsmannes fällt auf die Wagen, hinter deren Scheiben sich die Kinder inzwischen die Nasen plattdrücken. "Ich ziehe Euch! Aber macht schnell, ich habe es eilig!" Damit wirft er ein dickes Seil vom Schlitten herunter und verknotet es mit der Lok. Verdattert steht das Lokpersonal da:"Was machen Sie da? Geht denn das? Aber nur ganz langsam, sonst entgeleisen wir!" "Da muß einer mit auf den Kutschbock und mir sagen, wenn ich zu schnell werde!" Zitternd vor Aufregung steigt der Lokführer auf den Schlitten. Man kann nicht behaupten, daß die beiden Zauber-Rentiere Lust hätten, die schwere Last den Berg hinauf zu ziehen, aber der Weihnachtsmann schwingt die Peitsche "Sonst muß ich das nicht, ist aber diesmal für einen guten Zweck!" grummelt er und langsam ruckt der Zug an. Bald ist der Abzweigbahnhof erreicht, kein Zugleiter ist zu sehen (Vielleicht wäre er ja sowieso in Ohnmacht gefallen!), aber die Weichen stehen richtig und so nimmt das wohl seltsamste Gefährt, was jemals gesichtet wurde, die letzten Kilometer in Angriff. Schwer ächzen die Rentiere, schweißgebadet kommen sie schließlich auf dem Zielbahnhof an. "Habt mich lange genug aufgehalten" grummelt der Weihanchtsmann und löst das Seil, befreit stieben die Rentiere mit ihm von dannen. Was war das? Es sieht so aus, als sei man angekommen! Wie benommen steht der Lokführer vor seinem Zug, benommen entschwinden die Reisenden zu ihren Zielen.Der Zugführer faßt sich als erster und telefoniert mit dem Zugleiter: "Schick Morgen früh eine neue Lok her, das reicht!" "Ja, aber!" Schenken wir uns die Erklärungsversuche, welche ihm sowieso niemand glauben wird. Und der Weihnachtsmann? Ein wenig später als sonst beginnt er seine Bescherung im kleinen Städtchen, und wer ganz genau hinschaut, kann in seinen Augen diesmal ein ganz besonderes Glitzern entdecken.
Allen Fc'lern ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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