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Dort, wo alles begann

Vorgeschichte:

Herr Funke
Herr Funke
Sebastian Unterreitmeier


"Gibt es denn einen Ort im Schloß der eine ganz besondere Bedeutung für Sie hat; zu dem Sie sich besonders hingezogen fühlen?"
fragte ich Herrn Funke und er führte mich in den Fürstensaal, der heute auch als Aussenstelle des Standesamtes dient.

Die Wände des Saales sind bis in Hüfthöhe mit Holz verkleidet und über allem hängt eine kunstvoll verzierte Holzdecke.
aus mittelbraunem Holz.
In Handarbeit wurde die Decke von dem in der DDR angebrachten Klarlack befreit und mit einem helleren Farbton der Stimmung
des Raumes angepasst.
Das genau war dann das Problem.
"Dem Denkmalschützer wäre es egal gewesen, wenn wir die Decke mit rosa Gipsplatten abgehängt hätten, aber den Farbton von
dunkel nach hell zu ändern - das war nicht erlaubt." erläuterte Herr Funke.

Die Deckenfarbe wieder zurückzuändern war einer der wenigen Kompromisse die Herr Funke nicht mit sich schliessen konnte.
Die Farbe blieb - eine Konventionalstrafe wurde gezahlt.
Weil es einfach sein musste.

Herr Funke hatte die Idee sich für das Foto in den kleinen Turmgiebel am Fürstensaal zu stellen, der mit kräftigen Blautönen
und einem Sternehimmel den Rahmen für die Hochzeitszeremonien bildet.

"Dort unten auf der Bank hat alles angefangen" sagte er und schaute aus dem Fenster auf die 2 Bänke und den alten DDR-Mülleimer mit Kieselsteinummantelung.
"Als ich 1996 hier her kam und überlegt das Schloss, welches in einem sehr schlechten Zustand war, zu kaufen, saßen dort unten
ein paar Jugendliche aus dem Dorf."
Es muss der ehemalige Lehrer in ihm gewesen sein, der ihn bewog sich zu ihnen zu setzen.
"Ich fragte sie was denn im Ort hier so los sei und wie es ihnen ginge und sie antworteten "Hier ist tote Hose, hier ist gar nichts los.""
Herr Funke fragte sie was sie denn machen würden, wenn jemand hier herkommen würde und etwas für sie tun; etwas organisieren würde.
"Dann würde ich ihm die Hälfte meines Taschengeldes geben" sagte ein Mädchen und auf seine frage wieviel das sei, antwortete sie
"Zwei Mark fünfzig".
In diesem Moment fiel die Entscheidung, nach Hohenerxleben zu gehen und das Schloß zu kaufen.
Eben weil es einfach sein musste.

Commentaire 5

  • Heidi Schneider 18/08/2020 19:57

    Von mir aus Original und nicht beschnitten.
    Aber auch so ansprechend plus emotionale Reaktion.
    lg Heidi
  • scissabob 08/10/2008 9:10

    es ist echt immer grossartig, was du dir für gedanken wegen einem bild machst und welche stories du immer da hineinpackst!

    wie leopold schon schrieb: "Dieses Zeitnehmen finde ich sehr beeindruckend!"
  • Leopold P. 07/10/2008 17:53

    ...leider zeigen sich journalistische Arbeiten immer seltener auf "diese" Art bzw. wenn sie sich darin üben, fallen sie oftmals der medial-vermarktenden Schnelllebigkeit zum Opfer.

    Das Foto alleine wäre nicht "der" Hingucker, das Portrait von Herrn Funke fordert mehr ein, schüttet sich nicht beim ersten flüchtigen Blick aus...

    Mit der Geschichte, großartig.
    Weil sie zeigt, dass Du Dir Zeit nimmst, dem eigentlich erzählenden Aufmerksamkeit zukommen lässt, für seine Geschichte, und das auch so weitervermittelst.

    Dieses Zeitnehmen finde ich sehr beeindruckend!
    Nur Gedanken...

    Beste Grüße
    Leopold
  • Sebastian Unterreitmeier 07/10/2008 15:46

    danke marko!

    benjamin, danke, das ist noch ganz frisch, vom letzten wochenende. ist eine freie arbeit, ich wüsste jetzt auch gar nicht welchem verlag/welcher zeitschrift wem ich das anbieten sollte :)
  • Benjamin Franz 07/10/2008 14:33

    sehr gutes Bild... in Verbindung mit dem Text bekommt es so richtig Bedeutung... ist das eine freie Reportagearbeit? wurde schon was abgedruckt?