Andreas Beier Fotografie


Premium (Basic), Metropole Ruhr

inDUstrial

o9.o8.1961

Über Nacht wurden die blühenden Obstbäume zu totem Holz. Giftwolken hatten sich in den frühen Morgenstunden auf die 130 Kleingärten des Duisburger Stadtteils gesenkt; in den darauffolgenden Tagen wurden auch die Gärten der anderen Stadtteile bis hin nach Duisburg-Wedau heimgesucht. Schwefeldioxyd, das noch in einer Verdünnung von einem Teil zu 2,5 Millionen Teilen Luft für die Flora tödlich wirken kann, hüllte Bäume und Sträucher ein. Was der Aschenregen aus den Stahlwerken noch übriggelassen hatte, vernichteten die Industrieabgase: Blätter und Blüten wurden braun und fielen verdorrt zur Erde. Kleingärtner, die von der Nachtschicht auf ihren Grünbesitz kamen, standen fassungslos vor den kahlen Obstspalieren. Dann zählten sie das tote Geäst: Tausend Obstbäume waren wie verbrannt. Den Urheber des Schadens hat man noch nicht namhaft machen können. Nach der Lebenserfahrung im Ruhrgebiet war das auch nicht zu erwarten. 1961 war Duisburg ist die Stadt mit der größten Stahlerzeugung im Ruhrgebiet (Heute Europaweit). Allein dreißig Konverter, riesige birnenförmige Stahlschmelzöfen, schleuderten stündlich 600 Zentner rotbraunen Staub in die Luft. Er mischt sich Tag und Nacht mit der Flugasche und den Abgasen aus unzähligen Schloten.Zwischen Hamm im Osten und Moers im Westen halten Batterien aller Kaliber das Revier unter Dauerfeuer: 56 Thomas-Stahlkonverter, 75 Zechenkraftwerke und 18 andere Kraftwerke, die Kohle verfeuern, 82 Hochöfen mit einem Rattenschwanz von Stahlschmelz- oder Tieföfen, 17 Zementwerke und Ölraffinerien sowie 1976 dampfgetriebene Bundesbahn - und Werkslokomotiven. Der röhrende Industrie-Gigant-Ruhrgebiet bereitet den acht Millionen Menschen jeden Tag ein kleines Pompeji. Von dem ständig abgedunkelten Himmel senken sich auf sie im Jahr 1,5 Millionen Tonnen Staub, Asche und Ruß sowie vier Millionen Tonnen Schwefeldioxyd hernieder. 75 000 Güterwagen wären nötig, um die Exkremente der Industrie abzufahren. Da niemand verhindert, daß sie in den Himmel geblasen werden, türmt sich die Dunstglocke das ganze Jahr über den Feuerschlünden und Wohnhäusern und reduziert die Kraft der Sonne um ein Drittel. Klima und Lebensgewohnheiten der Ruhrbewohner wurden von dem Auswurf der Industrie wie in keinem anderen Landstrich der Erde bestimmt. Denen, die im direkten Windschatten der qualmenden Schlote und Konverter wohnen, wurde deshalb gelegentlich sogar ein Teil der Miete für ihre Werkswohnungen erlassen.

Willy Brandt versprach am 28. April 1961 auf dem SPD-Wahlkongreß, der Himmel über dem Ruhrgebiet muß wieder blau werden!"
(Lebhafter Beifall). Der Dreck gehöre zum Revier wie ein Misthaufen zum Bauernhof.

http://www.60xdeutschland.de/schwarzer-riese-in-duisburg-geht-in-betrieb/

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