Blue Bear Revival


Premium (Pro), Buchholz

Käseschieber

Sylter Inselbahn – ein Beitrag zum Projekt am Montag „Wie Dazumal“ mit einem Foto von 1970.
Die Bahn erhielt im Volksmund die Bezeichnung „Rasende Emma“

Vom Jahr 1888 bis zum Jahre 1970 existierte auf der Nordseeinsel Sylt in Nordfriesland eine Schmalspurbahn mit einer Spurweite 1000 mm (Meterspur). Zu Hochzeiten wurde ein Streckennetz von etwa 45 Kilometer betrieben.

Anfänglicher Kern des Netzes war die etwa 5 km lange Ostbahn, die von Westerland zum Fähranleger Munkmarsch an der Ostküste Sylts führte. Bis zum Bau des Hindenburgdammes 1927 wurde dort der sämtliche Seebäderverkehr abgewickelt. Die Fahrzeit betrug 12 Minuten. Mit der Eröffnung des Hindenburgdammes und gleichzeitigem Bau der normalspurigen Reichsbahnstrecke nach Westerland wurde die Ostbahn stillgelegt.
Zweiter Hauptbestandteil des Netzes war die Nordbahn von Westerland nach List. Die Streckenlänge bis zum Lister Hafen betrug etwa 17,5 km, die Fahrzeit war 41 Minuten lang. Zusätzlich gab es zwei Stichstrecken zur Nordspitze Sylts und ins Listland, gebaut für rein militärische Zwecke.
Im Jahre 1901 kam die Südbahn mit etwa 19 km zum gerade neu gebauten Schiffsanleger Hörnum hinzu. Zu der Zeit war die Bahn die einzige feste Verbindung nach Hörnum, eine Straße dorthin gab es noch nicht.
In den 1950er Jahren erlebte die Bahn einen starken Aufschwung, da in der Zeit des Wirtschaftswunder der Tourismus die Insel Sylt im Sturm erobert. 10 Jahre später war es mit dem Aufschwung wieder vorbei, da sich auf der Insel der Individualverkehr immer mehr ausbreitete. 1969 wurde die Südbahn stillgelegt, 1970 auch die Nordbahn. Die Trassen sind heutzutage noch als Radwanderwege vorhanden.

Bis Ende des 2. Weltkrieges wurde der Betrieb überwiegend mit Dampflokomotiven abgewickelt, in der Nachkriegszeit mit Dieseltriebwagen aller möglichen Bauarten.
Eine Besonderheit bildeten ab den 1950er Jahren, die – wie hier auf dem Foto zu sehen – auf Borgward-Lastkraftwagen-Fahrgestellen in Eigenbau erstellten Leichttriebwagen. Sie waren erforderlich geworden, da gekaufte Fahrzeuge oft zu schwer für die lose im Dünensand verlegten Gleise oder zu lang für die recht engen Radien waren.

Weitere interessante Infos unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Sylter_Inselbahn

In meiner Kindheit machten meine Eltern mit meinen Brüdern und mir ab 1969 einige Jahre hintereinander in List auf der Insel Sylt wunderbare Urlaube am Meer. Die ersten zwei Jahre konnten wir diese - von uns als „Käseschieber“ bezeichneten Züge der Sylter Inselbahn selbst bewundern und wir sind sogar mit ihnen gefahren. Die Reisegeschwindigkeit war dermaßen enorm, dass die Schaffner das Blumenpflücken während der Fahrt als zu gefährlich untersagten.

Dieses gerade von mir wiederentdeckte Foto meines Vaters zeigt eines dieser typischen Leichttriebwagen auf Borgward-LKW-Basis im – mittlerweile abgerissenen - Bahnhof List in seinem letzten Betriebsjahr 1970.

PS: Heutzutage löscht auch Beck’s Bier aus emanzipatorischen Gründen nicht nur Männer-Durst …:-))

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Nachtrag: Wie ich ein paar Tage nach Veröffentlichung feststellen musste, ist die Bezeichnung "Käseschieber" nicht, wie ich glaubte, eine Wortschöpfung in unser Familie.
Beim NDR fand ich folgendes :
https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/Inselbahn-Sylt-Als-der-Kaeseschieber-ueber-die-Insel-fuhr,inselbahn104.html

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