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Leben mit dem Braunkohletagebau: Fleddern bei lebendigem Leib

Leben mit dem Braunkohletagebau: Fleddern bei lebendigem Leib

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Franz-Josef Wirtz


Premium (Pro), Düsseldorf

Leben mit dem Braunkohletagebau: Fleddern bei lebendigem Leib

Eigentlich sollte hier noch alles intakt und normales Leben möglich sein. Doch das hier ist Inden, 1999. Ein nun nicht mehr existenter Ort im Großtagebau Inden, der zum Rheinischen Braunkohlerevier zählt. Die Bewohner der Orte, die dort liegen werden dazu gezwungen, umzusiedeln, woanders nochmal von vorne zu beginnen. Aber das Leben verändert sich nicht erst mit der Umsiedlung. Bereits Jahrzehnte vorher ist vieles anders als in den nicht betroffenen Orten, die oft nur wenige Kilometer entfernt liegen.

Ein Beispiel sind die Plünderer. Sie nehmen bereits alles mit, was sie gebrauchen können, egal ob der Ort, ein Haus noch bewohnt ist oder nicht. Sie kommen von nah, sie kommen von fern. Die Bewohner eines zur Umsiedlung verurteilten Ortes sind damit zu einer viel größeren Wachsamkeit gezwungen als andernorts. Einfach unvorbereitet in Urlaub fahren wird hier mit einem vom Keller bis zum Dach leergeräumten Haus quittiert.

Und dieses Fleddern nagt an den Seelen. Das, was die Menschern eines Ortes über die Jahre liebgewonnen hatten, wird nun achtlos zerstört, Zug um Zug von Vandalen heimgesucht, entwertet. Statt beschauliches Dorfleben stehen sie nun im Fokus von nationalen oder auch internationalen Kriminellen. Ihre Anonymität ist aufgehoben. Jeder weiß, dass es dort etwas zu holen gibt. Leben auf dem Präsentierteller. Manche treten daher die Flucht an. Statt mit den Nachbarn und Freunden die Umsiedlung durchzustehen, siedeln sie lieber ganz woanders, tauchen wieder zurück in eine Schutz gewährende Anonymität.

[°Ô(]

Der Tagebau:

Leben mit dem Braunkohletagebau: Kulturland im Loch - Tagebau Inden
Leben mit dem Braunkohletagebau: Kulturland im Loch - Tagebau Inden
Franz-Josef Wirtz


Satellitenbild (älterer Stand) von Inden und Altdorf mit dem Tagebau:
http://maps.google.com/maps?ll=50.874120,6.338596&spn=0.055878,0.088715&t=k&hl=en

Revierkarte Rheinland:
http://www.debriv.de/pages/grafiken.php?page=255

Weiteres zum Thema im fotohome-Ordner
Energy usage
dossier Energy usage
(59)
und in
http://www.fotocommunity.de/info/Braunkohletagebau

Commentaire 8

  • Katrin Gems 01/01/2011 21:21

    Du beschreibst das sehr eindringlich.
  • A. KOCH 21/02/2005 22:38

    hallo franz-josef,

    hier bin ich auch mindestens einmal im monat, beobachte das vorankommen mit der indeumleitung.
    danke für dein komentar zu
    Nostagie
    Nostagie
    A. KOCH
    dieser ofen wird heute noch mit briketts und holz genutzt. diese küche befindet sich in einem haus in schevenhütte.
    gruß andreas
  • Franz-Josef Wirtz 29/01/2005 11:55

    Warum? Weil es ein Bergrecht aus der Wilhelminischen Zeit gibt, das Bergbau-Interessen über das Privatrecht setzt. Es wird jeweils der gesamte Ort vernichtet, mit allem was sich dort befindet. Im Gegensatz zu der Zeit, als das Berggesetz geschrieben wurde erreichen die heutigen Großtagebaue ja eine Ausdehnung von bis zu 12km (!), über die eben alles was dort liegt vollständig vernichtet wird. Der Ort ist zu dem Zeitpunkt ganz in den Besitz der RWE AG über gegangen. Nach und nach erwirbt sie in für die Umsiedler meist erniedrigenden Einzelverhandlungen durch spezialisierte Mitarbeitert die Grundstücke und Häuser. Ist jemand nicht freiwillig bereit, zu dem Preis, den RWE anbietet zu verkaufen, so würde der staatliche Zwang folgen. Der BUND hat so ein Grundstück bislang nicht verkauft. Es befindet sich zur Zeit noch eine Apfelbaumwiese darauf.

    Das ist quasi die offizielle Begründung auf das "Warum geht Umsiedlung?" Die inoffizielle dürfte sicherlich in der viele jahrzehntealten Verquickung von Politik und privatwirtschaftlichen Interessen sein. "Mer kenne uns, mer helpe uns" ist als Adenauerwort ja in die Geschichte eingegangen, um den rheinischen Filz einfach zu charakterisieren. So sind Strukturen entstanden, die so schnell niemand einreißt. Schröder und Clement haben dieses Credo ja noch weiter festgeschrieben und die Grünen haben da auch nicht geschafft, dran zu rütteln, trotz vollmundiger Versprechen den Betroffenen gegenüber.

    Ob das Berggesetz auch in der DDR so übernommen wurde weiß ich nicht. Jedoch wurden auch dort die Bewohner gegen ihren Widerstand gezwungen.

    Dass es nicht sein kann, dass allein aufgrund von rein privatwirtschaftlichem Profitstreben einer Aktiengesellschaft den Privatleuten (und natürlich auch Kommune und Kirche) solche Opfer abverlangt werden (vom ökologischen Desaster, das ja letztlich auch volkswirtschaftlich die Rechnungen schreibt mal ganz zu schweigen) ist ja wenn ich mich recht entsinne die Argumentationslinie von Kommunen und Verbänden wie dem BUND in den Verfahren gegen die Erweiterung von Garzweiler. Es ist halt politisch nicht gewollt, sich um Alternativen zu kümmern, was ja seit Jahrzehnten möglich gewesen wäre, weil der Filz nach anderem strebt. Es ist halt leichter, sich an den Geldtöpfen eines Großkonzerns die Taschen zu füllen als viele weniger abhängige Erzeuger wie auch immer gearteten alternativen Energien zu schröpfen.

    Dass die Orte so in den Fokus von Plünderer geraten liegt sicher erst mal daran, dass sie eben als "aufgegebene Orte" gelten. Da hält von außen betrachtet eben niemand mehr die Hand drüber. Dann ist es ja so, dass das Ganze sich über Jahre und Jahrzehnte hinzieht. Immer wieder wird aus verschiedenen Gründen, die aus diesem und anderen Bildern ersichtlich sind ein Haus und Grundstück aufgegeben. Dann kann es auch mal etwas dauern, bis die kleinen Bagger der RWE AG alle Spuren an ein buntes Leben ausgelöscht haben. Und dadurch, dass der Ort immer "dünner" besiedelt wird, fällt die Kontrolle einfach schwerer, auch die bewohnten Häuser werden so zu leichter Beute.
    Warum.......
    Warum.......
    Anke Unverzagt



  • † Hans-Dieter Vieten 29/01/2005 3:34

    Wieso können solche Orte eigentlich einfach so zwangsumgesiedelt werden. Gilt das denn auch für Häuser, die in Privateigentum sind?
    Und warum kommen die Kriminellen erst dann? Was zu holen ist doch auch ohne Umsiedlung.

    Würde mich mal interessieren. Vor allem, weil ich in den letzten Tagen mal eine interessante Sendung im TV zum Niedergang des Bergbaus im Ruhrgebiet angeschaut habe.
  • Franz-Josef Wirtz 29/01/2005 0:48

    Irgendwo ist es auch das Perfide an dieser ganzen Problematik. Man kann dort so viel sehen, das banal ist. Herunter gelassene Rolläden wären ein weiteres Beispiel. Erst durch das Wissen, das man(che) mit dem Bild in Verbindung bringen, durch einen Kontext werden solche Bilder virulent. Der Anschein, den man oft gewinnt, führt nicht selten in ganz falsche Richtungen.

    Ich bin auch froh, endlich mal ein paar Bilder mit entsprechendem Kommentar veröffentlicht zu haben. Liegt mir schon lange auf der Seele.
  • Theophanu 29/01/2005 0:30

    ohne Deinen text wäre es ein völlig banales motiv. durch Deine ausführungen bekommt es leben, sagen wir mal, es löst vibrationen aus in form von wut.
    es ist gut, dass es solche dokufotos gibt unabhändig von künstlerischen gesichtspunkten gibt es nicht nur schönes auf der welt.man muß auch augen für das abscheuliche haben.
    lg uta
  • Renate Bonow 28/01/2005 18:20

    das fot könnte eine beliebige baustelle sein - wie anders wirkt es durch den text
    gruß renate
  • Petrahh 28/01/2005 17:04

    Deine Bilder und die Infos dazu sind bedrückend. Es muss grausam sein.
    Gruss Petra