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Klaus-Peter Beck


Premium (World), Bergheim

Münzpersonenwaage

Die Personenwaage gehörte zur Generation der ersten Münzautomaten. Schon ab 1886 wurden Patente dafür eingereicht, in den folgenden Jahren kamen sie in zahlreichen europäischen Großstädten zur Aufstellung.
Viele davon standen in Bahnhöfen und wurden dort auch sehr oft genutzt. z.Bsp. vor und nach der Urlaubsreise.
Anders als heute war die Überprüfung des eigenen Gewichts um 1900 noch weit weniger schambesetzt. Es überwog die Neugier, die Faszination, auf einfache und billige Weise sein Körpergewicht erfahren zu können. Das Wiegen geriet zum öffentlichen Ereignis, bei dem die betreffende Person ihr Aussehen auch visuell überprüfen konnte. Die öffentliche Personenwaage war denn auch weiterhin ein Thema der satirischen Publizistik, die sich etwa darüber lustig machte, dass eine prominente Frau „durch das grausame Urteil der automatischen Waage alljährlich nach Marienbad verbannt wird“.

Vereinzelt kamen aber auch schon völlig neuartige Waagenmodelle zum Einsatz. Sie zeigten das Gewicht nicht mehr auf einer Skala, sondern auf einem kleinen, ausgedruckten Kärtchen an, gleichsam zum Mitnehmen in der Manteltasche. Sukzessive hatte eine Veränderung der Schamgrenzen stattgefunden. Eine öffentliche, für alle Passanten sichtbare Gewichtsanzeige galt zunehmend als unzeitgemäß, sie war privater und intimer geworden. In den Siebzigerjahren kam das Geschäft mit den öffentlichen Personenwaagen in die Krise. Die Kontrolle des Körpergewichts hatte sich endgültig in den privaten Bereich verlagert.

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