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summertime1


Free Account, Essen

Na "meine Dicke"

Weil Freitag ist und ich noch kein Bild von Ralf geshen habe, vielleicht habe ich auch nicht genug gesucht, stelle ich mal ein Bild mit einer Geschichte ein.

Das Dampflokpersonal bezeichnet Kohlestücke mit einen Durchmesser von weniger als 50 mm gemeinhin als Blumenerde. Mit solcher Kohle ist es nun mal schwierig ein gutes Feuer zu unterhalten. Sind die Kohlebrocken aber so klein, dass sie wie Staub erscheinen, dann gute Nacht. Das bedeutet für den Heizer Kampf mit des Schicksals Mächten.

Zu Zeiten als der Dampflokbetrieb im Westen Deutschlands nur noch bei Privateisenbahnen möglich war, machte sich das Dampflokpersonal über die Kohlenbeschaffung kein großes Kopfzerbrechen. Da wurde verfeuert, was gerade im Bansen lag. Über Kohleart und -sorte dachte man nicht nach. Es waren ohnehin meistens nur kurze Strecken oder Führerstandsmitfahrten im Angebot.

Zum 150 mal wiederholte sich der Jahrestag der ersten dampfgetriebenen Eisenbahn in Deutschland. Ein Sonderzug mit preußischen Abteilwagen, 74 1192 und V36 231 war von Essen Hbf nach Wanne Westhafen zur Wanne Herner Eisenbahn (WHE) gefahren. Von hier aus sollte die Dampflok den Zug über die Zechenbahngleise bis Bottrop Süd ziehen. Mein Lokführer war die Ruhe selbst. Er kannte die Strecke, schließlich war er bei der Zechenbahn beschäftigt. Mir erging es ganz anders. Mir war die Strecke so gut wie unbekannt; ich wusste nur, es gibt einen langen Tunnel durch eine Bergehalde und danach eine satte Steigung. Dazu kam das ungute Gefühl, das jeden Heizer bei seiner ersten richtigen Streckenfahrt beschleicht. Führerstandmitfahrten und Paradestrecke in Nürnberg waren für mich die bisher einzigen Einsätze. Trotzdem wollte ich mein Können beweisen. Ich hatte gelesen, dass bei Pulverkohle diese richtig gut durchnässt sein soll, damit sie zusammenbackt und nicht gleich in die Rauchkammer gerissen wird. Dann sollte man damit auch das Feuer gleichmäßig beschicken. Was aber heißt gleichmäßig? Gleichmäßig schnell, gleichmäßig viel, gleichmäßig hoch?

Auf sich gestellt dachte ich an meinen Ausbilder, wie hat der immer geschaufelt? Der war mit der Schaufel nicht bange. Folglich baggerte auch ich ordentlich was in die Feuerbüchse rein. Das muss wohl richtig gewesen sein, denn das Ramsbottomsicherheitsventil säuselte. Nach dem Wasserfassen war es dann soweit, die Lok setzte sich vor den Zug. Die Ausfahrt von Wanne Westhafen beginnt gleich mit einer Steigung, daher noch mehr Pulverkohle ins Feuer und den Wasserstand hochgepumpt. Das Rennen konnte beginnen. Ohne Schwierigkeiten fuhr der Zug an und schaffte problemlos die erste Steigung. Der hohe Wasserstand als Energiespeicher hatte geholfen. In der langgezogenen Linkskurve wollte ich nachlegen, aber mein Lokführer knallte die Feuertür zu. Klar doch, in Linkskurven ist die Streckenbeobachtung durch den Heizer ebenfalls erforderlich. Aber jetzt in der Geraden, da durfte ich ja. Wieder flog die Feuertür durch den Lokführer zu. Der Tunnel kommt, da wird nicht frisch aufgelegt. Endlich, nach dem Tunnel, da durfte ich dann so richtig die Schaufel schwingen. Das tat ich dann auch. Gleichmäßig viel – natürlich zu viel, gleichmäßig schnell – natürlich zu schnell, gleichmäßig hoch – und natürlich zu hoch.

Prompt stellte sich der Erfolg ein. Der Zeiger des Kesseldruckmanometers verabschiedete sich von der Lokführerseite und wandte sich deutlich aber immer schneller der Heizerseite zu. Die Zugheizung wurde abgestellt. Der Triumph blieb aus. Der Druckverlust ließ sich nicht aufhalten. In meiner Not griff ich zum Haken und durchwühlte dabei das Feuerbett. Welches Feuerbett? Das schwarze Etwas konnte unmöglich als Feuer bezeichnet werden. Ausgerechnet jetzt begann die Steigung. Es sank außer Stimmung auch der Kesseldruck. So tief, dass der Lokführer anhielt, weil die Luftpumpe stehen blieb, und er sonst keine Druckluft zum Bremsen mehr bekommen hätte.

Die schlimmsten Minuten für einen Heizer begannen. Es musste Dampf gekocht werden. Der Bläser wurde angestellt und die schwarze Masse in die hinteren Ecken der Feuerbüchse gezogen. Auf dem vorderen Teil des Rostes entfernte ich zuerst die breiige Schlacke, dann baute ich aus handverlesenen Kohlestücken ein ordentliches Feuer auf. Das Führerhaus sah dabei wie eine Kohlensieberei aus. Auf dem gesamten Fußboden lag Kohle. Hier ein Haufen aus Kohlenstücken, dort die Pulverkohle. Mit bloßen Händen wühlte ich im Tender, um Kohlestücke zu ergattern. Die Mühen hatten sich gelohnt. Damit wieder etwas Platz vorhanden war, wurde die Pulverkohle zunächst aus dem Führerhaus geschaufelt. Mit den Kohlestücken konnte dann das Feuer gleichmäßig langgemacht werden. Als nach rund zwanzig Minuten der Zugführer in den Fahrbericht ”Verspätung wegen Dampfmangel durch schlechte Kohle” eintrug, war das Schlimmste überstanden. Von nun an hatte ich aber doppelte Arbeit. Zum einen musste ich aus dem Tender die Kohle ins Führerhaus schaufeln und dann die stückigen Partien ins Feuer werfen. Den Rest schaufelte ich bei der Ankunft im Kohlehafen Bottrop im weiten Bogen auf einen Berg.

Nach diesem im wahrsten Sinne des Wortes kohlrabenschwarzen Tag schenkte man dem Brennstoff mehr Beachtung. Einerseits wurde für die Führerstandsmitfahrten der mit Schottergabeln ausgesiebte Rest verfeuert, andererseits waren die Altbestände bald aufgebraucht und es wurde gute Knabbelkohle gekauft. Seit jenem Ereignis ist der Museumszug nie wieder mit Dampfmangel durch schlechte Kohle liegengeblieben.

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Exif

APN DMC-LZ5
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Ouverture 2.8
Temps de pose 1/30
Focale 6.1 mm
ISO 400

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