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Unfallbericht

Ginger White: Ein Einschnitt (Unfallbericht)

Mit Freunden diskutiere ich über das Älterwerden. Was ist anders jetzt. Schiebt man Sachen länger vor sich her. Schafft man weniger weg. Vergisst man manches?

Auf Pappkarten (Pizza-Umverpackungen) listet man auf, was noch zu erledigen ist. Damit man es erledigt. Es ist einem vieles egaler geworden, man muss es sich gezielt vornehmen.

An diesem Freitag-Nachmittag stand auf der Liste:

1. Bei diesem starken Sonnenschein unbedingt die 2,20-Meter-Matratze
vom Dachboden in den Garten und ausklopfen und die Sonne einwirken lassen.
2. Bei diesem früheren Feierabend noch das Fahrrad zur Reparatur schieben (Kette war gerissen und zu alt, schon entsorgt).
3. Die leichte Nebenbei-Arbeit des Holunderbeeren-Pflückens und zu Marmelade-Kochens für die nächsten drei Gläser erledigen.
4.Waschmaschine und auf die Leine in die Sonne.
5. Den Holzklotz zurechtsägen und eventuell erste Lackierung.
6. Zum Baumarkt und neuen Duschschlauch von 2,50 Meter kaufen und anschrauben.
7.Das Nachbarhaus fotografieren, wo Balken geschnitten wurden (siehe Foto hier).
8.Abends Verabredung in der Stadt

Dies alles hatte man früher, als man jung war, von selbst, spontan, ohne Plan und nebenbei erledigt und dann immer noch Zeit zum Ausruhen und zur Langeweile gehabt.

Es ging los.

Die Matratze auf dem Dachboden sollte ja im Garten und nicht auf dem Dachboden ausgeklopft werden, macht ja Sinn: in der Sonne und Staub bleibt nicht im Haus.

Angepackt und durch die Bodenluke die wunderbare schmale Treppe runter gleiten lassen. Sie wand sich wie ein Aaal zwischen den Treppenstufen und dem Geländer hindurch, fiel dann 3 Meter tief und warf nichts um. Dann im Schlepptau riss ich ditt und datt um, was sich aber alles wieder aufstellen ließ.

Dann aufgebockt auf zwei Tischen auf dem Rasen GIB IHM. Der uralte Teppichklopfer noch von den Eltern aus Bambus tat seinen Dienst. Wieso knallte es so schmerzhaft in den Ohren, dies war früher nie so. Im Keller vom Baumarkt der Ohrenschutz - "Kopfhörer" - doch das lohnt nicht, dafür extra in den Keller zu gehen, man verliert nur wertvolle Zeit, dies wirft einen sowas von zurück, man kann auch den Mund öffnen - die Ohren wurden auf Schuss-Knall trainiert und der cholerische Nachbar schrie mir bald was zu - und ich antworte noch lauter: "Aber Du !!!" Der Staub zog dann zu ihm hinüber. Ich war bald fertig.

Zum Baumarkt war ich auf dem Rückweg von der Arbeit gewesen und hatte den Duschschlauch nur zu 2 Meter bekommen und sah dann noch die inzwischen verboteten Glühbirnen, langte zwölfmal zu und dann noch Baumsägen und ich wählte die Hausmarke für eine lange Stange.

Also konnte ich gleich nach dem Klopfen und noch vor dem Fahrrad das Sägen erledigen. Der Weg zur alten Säge war nun unnötig, ich hatte ja die Baumsäge hier liegen.

Ohne Warnung an der Verpackung war da aber eine Extra "Rindenklinge" am Ende der Baumsäge quer angebracht, wunderbar verchromt nach dem Scharf-Schleifen, denn im Baumarkt hätte sonst Rost angesetzt.

Viele Sägebewegungen liefen ohne Unfall bis dann einmal es zu weit nach unten ging - mit der querstehenden Rindenklinge in den Muskel zwischen Daumen und Zeigefinger.

Es klaffte.

Es schmeckte süß und brannte beim Aussaugen.

Es war 16:50 Uhr und der Hausarzt hatte noch bis 18 Uhr auf.

Trotzdem lief es nicht ruhig weiter. Die Dachluken mussten zu, es hätte ja regnen können, die Matratze war schon vor dem Schnitt ins Wohnzimmer gewandert, das Handy lag irgendwo rum, ich rief es vom Festnetz aus an und es meldete sich vom Dachboden. Dort wieder rauf, das Stofftaschentuch umschloß die Wunde vollkommen.

Zu Fuß ging es zum Hausarzt, lieber 7 Minuten stramm gehen und bei Bewusstsein bleiben als 10 Minuten auf ein Taxi warten. Die gesunde Hand bediente das Handy: "Wir machen um 17 Uhr zu." Ich erreichte als Notfall dann um 16:59 Uhr die Arztpraxis, wo keiner mehr war außer dem Arzt und zwei Arzthelferinnen.

Man ließ mich 12 Minuten warten, dies war nicht schlimm, doch ich hatte Panik und tigerte. Schließlich:

Klaff, zu, nicht genäht - sondern desinfitziert und geklebt und Verband darauf und:
"Kein Wasser!"
"keine Belastung!"
"Montag vorzeigen!"

Ich schlief drei Nächte im selben Hemd, es war ein bügelfreies knitterarmes Hemd.

Montag Morgen duschte ich mit Hand in Plastiktüte und ging zum Dienst.

Heute am Dienstag kann ich schon wieder tippen.

Bis Ende der Woche werde ich keinen Bass und keine Gitarre spielen können, in meinen beiden Feierabend-Bands werde ich also nur singen und bandleaden können.

Alles wird gut.

Der Duschschlauch hält auch noch durch.

Commentaire 25

  • Gisela Gnath 06/10/2009 8:25

    Hallo Werner,
    einen Tagesablauf schilderst Du hier, den man sehr gut nachvollziehen kann. Es enstehen viele Einzelbilder im Kopf, die die aufgezeigte Zeit ausfüllen und reich machen.
    Tja und das mit dem Älterwerden....diese Bekanntschaft mache ich auch. Lange hab ich mich geärgert, daß die Verschlüsse an den Verpackungen immer komplizierter und ärger werden, bis ich feststellen mußte, daß es meine Geduld und Kraft war die Risse bekommen hat :-((
    Dein Stil zu schreiben hat meine Bewunderung!!!!
    Dank auch für die nette AM!
    lg Gisela
  • † werner weis 29/09/2009 9:29


    @Sepp:

    Lieber Sepp,

    1998, beim Dachausbau, allein zu Haus, verlegte ich den Fußboden selber und machte auch ein wenig in Rigips und Steinwolle, sah das Schlafnest des Marders neben Wespennestern.
    Einmal zu schnell hoch rammte ich mir einen rostigen Nagel der Dachkonstruktion über mir, längs, die Kopfhaut schlitzend, an den Schädel und:
    Ich telfonierte samstags um 21 Uhr allen Taxiunternehmenh Hamburgs hinterher, deren Nummern fast alle immerzu besetzt waren und als ich dann ein- oder zweimal durchkam, waren es immer Wartezeiten von 45 Minuten. Das Blut tropfte auf den Boden. ich hatte noch keine Digitalkamera, denn bei späteren Kopfverletzungen fotografierte ich mir das, was ich ohne Spiegel nicht sah. Panik. Ich tigerte.
    Irgendwann nach fast 30 Minuten wählte ich 112. Man reagierte sofort: Schock, Blaulicht und ab in die Notaufnahme. Unterwegs sagte man, dass es mehr Schock als Schlitz sei und stellte das Blaulicht ab, man konnte sich so besser unterhalten.
    Fast 3 Stunden im Krankenhaus, schell genäht oder geklebt ohne Betäubung und wegen Verdacht von Gehirnerschütterung lange zur Beobachtung dort im Kellerflur liegen. Es half. Ich war sehr zufrieden. Taxi zurück.
  • Kerstin Stolzenburg 26/09/2009 18:20

    Lieber Werner, da man an verschiedenen Stellen wieder interessante und schöne Anmerkungen von Dir lesen kann, nehme ich an, dass die Wunde an deiner Hand gut heilt und der Schreck und die Angst, die mit einem solchen Unfall immer verbunden sind, nur noch in der Erinnerung vorhanden sind. Du hast gottlob Glück gehabt! Was Du geschildert hast, geht einem nicht zuletzt auch deshalb nahe, weil jedem zu jeder Zeit Ähnliches widerfahren kann. Man muss dazu noch nicht einmal leichtsinnig handeln. Ein falscher Tritt und man bricht sich den Mittelfuß, eine unbedacht abgelegte Flasche fällt von der Gepäckablage und verursacht Beulen und Kopfschmerzen, im Wald zu rasch umgedreht und man piekt sich eine Tannennadel ins Auge, sodass der Augenarzt aufgesucht werden muss ... es gäbe viele Beispiele. Man ist immer froh, wenn es letztlich glimpflich abgeht. Aber was könnte man vorbeugend tun? Man kann nicht einmal sagen, dass man eine Lehre daraus ziehen könnte, außer der, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein, da es ja meist die kleinen, rasch selbst zu erledigenden Dinge sind, die man nicht einem Fachmann überlässt, oft auch die, die einfach im Alltag im Haushalt passieren.

    Nun, das beschriebene Älterwerden bringt vielleicht auch etwas Gutes mit sich. Man erledigt aufgrund der Erfahrung viele Dinge mit mehr Bedacht. Bleibt zu hoffen, dass man dadurch von solchen Unglücken, wie es Dich ereilt hat, verschont bleibt. Ich wünsche Dir weiterhin gute Besserung!

    Grüße. Kerstin
  • Marina Luise 26/09/2009 8:43

    Ende gut alles gut - vieles kann ich dir nachempfinden, was du da schreibst - vor allem die Lârmschmerzgrenze! :))
    Weiterhin alles Gute! Und schönes WE! ;)
  • Christine Matouschek 25/09/2009 16:34

    Werner, schön, dass es Dir wieder besser geht.
    Weiterhin alles Gute für Deine Hand.
    Gruß Matou
  • Eva-Maria Nehring 21/09/2009 16:38

    schmunzel
    schmunzel

    was machen Hausfrauen und Mütter so an einem Tag ohne Aufschreiben?

    duck`
    .... ich geh ja schon!
    LG Eva

    Dennoch freut es mich,das alles gut heilt.

    Für solche Fälle sollte man Leuco-strip im Haus haben. Gibt es in verschiedenen Größen in jeder Apotheke und man kann selber solche Dinge schnell adaptieren und zusammenkleben.
  • Carl-Jürgen Bautsch 18/09/2009 16:24

    Hoffentlich ist es eine kleine Wunde aber dafür sehe ich eine echte Großbaustelle. Du musstest Abstand nehmen, um einen Überblick der Situation zu geben ;-)
    LG, Carl
  • Martin Weber 17/09/2009 12:30

    bei deiner erzählung kann man das ganze unglück bildlich und mit spannung mitverfolgen!
    ich hab noch nie erlebt wie jemand seinen leidensweg so offen und interessant nach außen trägt!
    warum nicht!
    du könntest ein turbulentes unfallverhütungshandbuch schreiben :-)
    auf jedenfall wünsch ich dir eine schnelle genesung, auf daß du wieder gitarre und baß spielen kannst und den einen oder anderen guten kommentar ohne größere körperliche behinderung hier hinterläßt!
    lg, martin


  • † werner weis 17/09/2009 9:28

    per normaler e-mail bekam ich noch eine ausführlichere Anmerkung, die ich hier abdrucke:

    Lieber Werner,

    gut von dir zu hören, tut mir aber echt leid, das mit deiner Hand.
    Witziger Weise wurde genau gestern hier vor der Haustür, aufgebockt auf
    drei Küchenhockern von IKEA, mit einem Pettigrohrausklopfer aus den 50er-
    Jahren, der immer noch im Heizungskeller hängt und beim Schlagen etwas
    absplitterte, ein braunes Cord-Sofa, das ich vor 30 Jahren für meine
    Zweizimmerwohnung in F. gekauft hatte und das immer in meinem
    Keller-Arbeitszimmer stand (als Ablage) und das jetzt M. für sein Oberstübchen haben
    möchte, - das wurde von ihm (zu lahm) und von mir (gib ihm Kante)
    ausgeklopft, dass es nur so staubte und meine (neugierige) Nachbarin Frau H.
    sofort vor die Haustür rief.
    In H. sah und hörte man (damals) immer viele Teppichklopfer. Sie wurden auch für Bestrafungen der Kinder verwendet - ein etwas zärtlicher Ausdruck
    für Kinderpopo hieß dort "Pöter".
    (in Hamburg: "Pööhscher", Anm. des Setzers WW).
    Aus Mitgefühl schicke ich dir den offiziellen Unfallbericht von meiner
    letzten Handverletzung.

    Viele Grüße von Gannfred

    Unfallschilderung

    betreffend Beleg
    Am 7.10.2006 gegen 15 Uhr verletzte ich mich, als ich im Garten hinter meinem Haus die Hecke beschnitt. Die Bügelsäge rutschte ab und fügte mir im oberen Glied des Zeigefingers an der linken Hand vier Schnittwunden zu, die sofort stark bluteten. Meine Frau fuhr mich zur Chirurgischen Ambulanz des Krankenhauses R. - Der behandelnde Arzt untersuchte die Verletzung, er stellte außer der Fleischwunde keine weiteren Beeinträchtigungen fest. Die Wunden wurden gesäubert und mit zehn Stichen genäht.
    Der Heilungsprozess verlief gut, doch am 13.10. stellte sich eine Entzündung ein, die mit einem Antibiotikum therapiert wurde.
    Am 17.10.06 wurde die Behandlung in der Chirurgischen Ambulanz abgeschlossen.
    Ein Fremdverschulden liegt nicht vor, es besteht kein Schadenersatzanspruch gegen irgend jemand.

  • E. W. R. 17/09/2009 9:07

    Lieber Werner, soo alt bist Du ja nicht ;-). Gewiss, der Schuldienst macht einen nicht jünger, aber weiser. Und insofern solltest Du dir überlegen, ob man das, was man nicht richtig kann, vielleicht besser jemandem überlässt, der es täglich macht. Ansonsten: Weiterhin gute Besserung (kann man ja immer gebrauchen). ;-)) Eckhard
  • Rolf Gleitsmann 16/09/2009 14:13

    Klaus D. W. hat es trefflich ausgedrückt, wir bleiben am Herzen jung, wenn wir es denn wollen. Das Klagen über dieses oder jenes Zipperlein hilft nichts.
    Die Zipperleins, sei es im Kopf oder in den Gliedern sind zu überwachen, man muss es nur wollen und das fortschreitende Alter akzeptieren. Und Werner ist ja gegenüber uns ein junger Spund.

    Mein lieber Werner, was Du hier wiederholt zur Diskussion mit einer einzigen Bildeinstellung ankurbelst, ist schon eine Schau.

    Es sei Dir gedankt und ich hoffe auf weiter Anmerkungen seitens Deiner Fotofreunde.
    Herzliche Grüße Rolf
  • Watndat 16/09/2009 13:28

    Ich find es grossartig , auch in einem gewissem Alter in dem man auf die 100 Jahre zuschreitet ,sich mit dem 21 Jahrhundert abstimmt..
    So bleibt man im Herzen Jung ...

    Lg und mit freundlichen Grüssen Klaus D.Watndat
  • Rolf Gleitsmann 16/09/2009 12:05

    Werner, Dein Unfallbericht unterscheidet sich natürlich bedeutend von dem Deines Hausarztes.
    Labidar wird er das Statistikamt informieren und zu den 15.781 Haushaltsunfällen pro Jahr kommt Deiner hinzu. Du kannst stolz sein, denn Du bist jetzt statistisch erfasst. Sollten Dir mal die Personalpapiere abhanden kommen (ich erinnere an Deine Kamera) kannst Du Dich an dieses Amt wenden.
    Das ist immer noch besser, als in Flensburg Punkte zu sammeln.

    Bei Deiner gekonnten Erzählung bezüglich Deiner zu Papier gebrachten Pflichten komme ich ins Schmunzeln. Wie hängt man ein Waschmaschine an die Leine ? Wenn ja, hast Du wenigstens das Bullauge geöffnet, damit die Sonne einwirkt ?

    Mein Fotofreund Volker K. hat sehr bemerkenswert und offen auf Deine Klagen bezüglich des Älterwerdens reagiert. Ein Ausdruck des Vertrauens von Volker.

    Lieber Werner, der Zahn der Zeit nagt an uns, den einen erwischt es eher, den anderen später. Letztlich sind wir aber doch alle in der Lage, damit fertig zu werden.

    Viele Grüße in den Norden, Gruß Rolf



    an
  • Manfred Wenzel 16/09/2009 0:04

    Dir bleibt aber auch nichts erspart. Alles im Bild festhalten ist sehr gut - dann ist's festgehalten und holt dich nicht mehr ein.
    lg
    Manfred
  • Adrena Lin 15/09/2009 23:19

    Es war klar, das ein Unfallbericht von Dir von besonderer Art ist....und er zeigt auch...nicht so viel Stress....nicht so viel planen,durchziehen....damit der Tagesplan durchgezogen und absolviert wird in Hektik kommen....Alles zu seiner Zeit....dann gibts weniger Unfälle....:-))))
    Schone Dich und alles Gute....
    Andrea
    Und ....Ich arbeite massenhaft Notizzettel, die an meinem Schreibtischregal hängen, durch....Die Zettel geben Sicherheit....bloß nichts vergessen.....:-)))