Herr Immig

Wie jeden Morgen stand Herr Immig vor der Haustür.
Sein Blick schweifte ins Niemandsland, denn eigentlich gab es nicht viel zu sehen.

Überhaupt gab es nicht viel, das den netten, älteren Herrn sonderlich bewegte.
Seit seiner Pensionierung hatte er das Gefühl, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

Immer hatte er funktioniert wie ein Uhrwerk, war an jedem Werktag nach dem Verzehr eines Honigbrötchens nebst einer Tasse nicht zu starken Kaffees zum Amt gegangen und hatte dort zwischen seinen Aktenbergen einen ausgefüllten Tag verlebt. Jeder hatte ihn als gewissenhaften, kompetenten Beamten anerkannt, man war freundlich, aber auch nicht zu herzlich miteinander umgegangen, und seine ganze Fürsorge hatte den beiden Kakteen auf der Fensterbank der leicht muffig riechenden Amtsstube gegolten.

Das alles war mit einem Schlag beendet, als der Tag der Wahrheit gekommen war. Mit einer Urkunde in der Hand und den beiden Kakteen im Karton trat er den Weg in ein ungewisses Nichts an.

Mechthild, Herrn Immigs Frau, konnte nicht verstehen, dass der Gatte die neugewonnene Freiheit nicht für allerlei Dinge nutzte, die das Leben ihrer Meinung nach verschönern könnten.
Aber was sollte er tun? Briefmarken sammeln etwa?
Das hatte er als Junge mit Leidenschaft getan, aber wer schrieb schon noch Briefe?
Mit mäßigem Erfolg hatte er sich im Garten zu schaffen gemacht, doch er war es eben nur gewohnt, mit Blick auf die gepflegten Rabatten seinen Sonntagskuchen zu verzehren.

Frau Immig begann, sich um ihren Mann zu sorgen, und hatte stets allerlei Aufträge, mit denen sie ihn betraute.
Mal schickte sie ihn zum Metzgerladen, mal in die Drogerie, um Nichtigkeiten zu besorgen, aber wirklich wichtige Aufgaben gab es für Herrn Immig nicht, denn das Leben im Haus war ohne ihn organisiert.

Herr Immig fühlte sich leer, und nicht einmal darüber dachte er nach, während er die Straße hinunterblickte und am Horizont einen Vogel wahrnahm. Herr Immig lächelte …

 Herr Immig lächelt
Herr Immig lächelt
I nimmermehr l

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Ich „klebe“ das Bild nun in das Foto-Geschichten-Buch
Mona Lisas Foto-Geschichten-Buch
Mona Lisas Foto-Geschichten-Buch
MONA LISA .

Wer sich dazu äußern möchte, kann das gerne hier (oder auch dort unter dem Bild) tun.
Vielen Dank für das Interesse!
:-)
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Die Skulptur ist Teil der Ausstellung "Alltagsmenschen" von Christel Lechner, die es den Sommer über in verschiedenen Städten zu sehen gibt.

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