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Oliver Schiebek


Premium (World), Düsseldorf

Die Ohrenreinigung

Es waren schwierige Zeiten für mich. Nachdem ich mit meinem Nagelstudio für Nager und Kleintiere Konkurs anmelden musste, versuchte ich mein Glück mit einem Softeis-Stand für Hunde und Katzen. Doch auch dieser lief nicht wirklich gut, trotz der köstlichen Sorten Sheba-Vanille und Erdbeere mit Frolic-Stückchen. Ich aß sie sogar selber recht gerne, aber letztendlich blieben die Kunden aus.
Also eröffnete ich kurzerhand einen mobilen Reinigungsservice für Tierohren. Die erste Kundschaft ließ nicht lange auf sich warten: „Was machst du hier?“, fragten mich die kleinen Schafe.
„Ich biete Ohrenreinigung für Tiere an. Zur Neueröffnung meines Ladens reinige ich euch heute ein Ohr gratis und es gibt einen Wettbewerb!“
„Was hat er gesagt?“, wollte das Lämmchen von seinem Kumpel wissen.
„ER REINIGT HEUTE EIN OHR GRATIS!“, brüllte das andere Schaf seinen Freund an. „UND DU KANNST WAS GEWINNEN!“, schob es laut hinterher.
„Schrei´ doch nicht so! Ich bin ja nicht taub“, erwiderte es entrüstet.
„Offensichtlich doch ein wenig“, insistierte ich. „Lass´ mal sehen, oh ja, alles voller Schmalz.“ Ich leuchtete mit meiner Stirnlampe in die Ohren des etwas schwerhörigen Schäfchens. „Wenn ich sie sauber mache, wirst du wieder viel besser hören.“
„Was kostet das denn?“
„Für jedes Ohr 7,98 Euro und, wie gesagt, ein Ohr ist heute kostenlos.“
„Was?“ Das Lamm hörte wirklich schlecht.
„SIEBEN ACHTUNDNEUNZIG!“, schrie sein Freund.
„Tut das denn weh?“, wollte es wissen.
„Nein, ich habe eine sanfte Methode zur Entfernung hartnäckiger Ohrenschmalz-Pfropfen entwickelt“, erklärte ich etwas lauter. „Mit einem Strohhalm sauge ich dein überschüssiges Ohrensekret ab. Mit dem Halm und dem darin befindlichen Inhalt darfst du danach am Weitpuste-Wettbewerb teilnehmen. Es gibt tolle Preise zu gewinnen.“ Das Schäflein war überzeugt.
Zuerst massierte ich sanft seine Öhrchen. Das gefiel ihm.
Danach kam der kritische Teil der Behandlung. Vorsichtig führte ich den Strohhalm in einen der Lauscher ein. Nicht zu tief, denn ich wollte ihn ja nicht verletzen. Beherzt holte ich tief Luft und saugte. Leider etwas zu heftig, denn das Ohrenschmalz blieb nicht – wie von mir eigentlich gewünscht – im Strohhalm stecken, sondern schoss aufgrund des enormen Unterdrucks durch den Halm in meinen Mund.
Ein Kritiker in einem Gourmet-Restaurant würde es wahrscheinlich als „Geschmacksexplosion am Gaumen mit langem Abgang“ bezeichnen. Hier war es ähnlich, nur viel ekliger. Ich spuckte. An meiner Saugleistung musste ich wohl noch arbeiten. Zum Glück gelang mir dies mit dem zweiten Ohr perfekt und ich präsentierte dem Lamm mit dem eingeschränkten Hörvermögen stolz den prall gefüllten Strohhalm. Beim Weitpuste-Wettbewerb zeigte es sich sehr talentiert und als Hauptpreis überreichte ich ihm zwei wunderschöne Pullis aus Merino-Wolle für ihn und seine Begleitung. Das Lamm war froh, wieder gut hören zu können und ging mit seinem Freund vergnügt ins Oster-Wochenende…

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Dossier Tierkinder
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Exif

APN NIKON D780
Objectif VR 200-500mm f/5.6E
Ouverture 7.1
Temps de pose 1/1600
Focale 380.0 mm
ISO 500

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