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Das elastische Schweinchen

Das elastische Schweinchen

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Oliver Schiebek


Premium (World), Düsseldorf

Das elastische Schweinchen

„Guck´ mal, wie hoch ich hüpfen kann!“, sagte das kleine Schweinchen zu mir.
„Das ist wirklich sehr beeindruckend!“, lobte ich es. „Aber wie kann das sein?“
Ich bat es zu mir, um es gründlich zu untersuchen. Vorsichtig tastete ich das Schweinchen ab.
„Du bist ja total elastisch!“, sagte ich überrascht und zog sein Schnäuzchen in die Länge, das mit einem schnalzenden Geräusch wieder in seine ursprüngliche Form zurück flitschte, als ich losließ. Das funktionierte auch bei seinem Ringelschwänzchen und den Füßen.
„Du scheinst keinerlei Knochen zu haben. Alles nur Knorpel, Gallerte und Schwarte.“ Ich war völlig baff.
Für abschließende Tests dribbelte ich das Schweinchen über den Asphalt. „Du bist ein prima Basketball-Ersatz!“ Ich war total begeistert.
„Dann wirf doch ein paar Körbe mit mir“, schlug es vor. Die Kinder auf dem Spielplatz schauten verdutzt, als anstatt eines Balls ein Schweinchen durch den Korb flog.
„Das macht Spaß!“, juchzte es. „Aber ich will höher fliegen.“
„Ich will dir wirklich nicht weh tun, aber ich könnte dich vom Garagendach fallen lassen. Mal sehen, wie weit du dann hüpfst.“
„Au ja!“ Das kleine Wildschwein schien keine Angst zu haben.
„Soll ich wirklich?“, fragte ich, als ich am Rand des Garagendachs stand und es in die Luft hielt.
„Los, lass´ mich fallen!“, forderte mich der Frischling auf. Ich ließ los.
„Yippieh!“ Das Schweinchen prallte auf dem Boden auf und sprang wie ein Flummi wieder nach oben und verschwand hinter den Häusern.
Wenige Minuten später kam es angerannt. „Ich bin bis zur Nordstraße gesprungen! Das ist klasse. Nochmal bitte, aber diesmal nehmen wir das Hochhaus.“
„Bist du dir da ganz sicher?“ Ich war skeptisch und in Sorge.
„Keine Angst, mir passiert nichts. Du weißt doch, alles Gelatine.“ Es präsentierte mir sein kleines Bäuchlein. Gemeinsam gingen wir zum Hochhaus.
„Ich lass´ dich jetzt los, ok?“ Mir wurde übel, denn ich hatte dort oben leichte Höhenangst.
„Ich bin startklar!“ Das Schweinchen stürzte in die Tiefe und wurde dank seiner Elastizität weit in den Frühlingshimmel geschleudert. Ich hörte es in der Ferne vor Vergnügen quieken. Zwei Stunden später kam es völlig außer Atem wieder zurück.
„Wo warst du so lange?“, wollte ich wissen.
„Ich bin in Köln gelandet, mitten auf dem Domplatz“, sagte es stolz. „Aber jetzt will ich auf den Rheinturm!“
„Das kann ich nicht zulassen!“ Langsam wurde mir bang um das tollkühne Wildschwein.
„Ich entbinde dich von jeglicher Verantwortung.“ Es war sich seiner Sache sehr sicher.
Wir fuhren mit dem Aufzug den Düsseldorfer Rheinturm hinauf. Das kostete mich fünf Euro. Mein borstiger Freund durfte gratis mit, denn er hatte einen Schülerausweis.
Der Wind pfiff uns um die Ohren, als wir in schwindelerregender Höhe auf dem Rheinturm standen.
„Ich hoffe, du weißt was du tust!“, brüllte ich gegen den Wind an.
„Alles in Ordnung, los jetzt!“ Sicherheitshalber hatte das Schweinchen eine Sportlerbrille angezogen. Ich gab meinem Kumpel zum Abschied einen Schmatzer auf die Schnauze und warf ihn die Tiefe. Ich sah einen winzigen Punkt aufprallen, dann in den Himmel schießen und am Horizont verschwinden. Ich habe den Frischling nie wieder gesehen. Mit schlechtem Gewissen ging ich nach Hause.
Sechs Wochen später lag eine wunderschöne Ansichtskarte mit einer bunten Briefmarke in meinem Briefkasten:
„Lieber Olli, viele Grüße aus Uganda. Ich bin gut gelandet. Komm´ mich doch mal besuchen. Liebe Grüße, dein Schweinchen.“
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie froh ich war und ich werde dort bestimmt mal hinfliegen…

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