... und abends mit Erleuchtung

Kilian und Ignaz lauschten weiterhin gespannt der Erzählung von Hartbrandwichtel Leopold, denn sie wollten zu gern wissen, wie er denn nun die Zwerge befreien konnte:

„Unter Tändeln und Scherzen verstrich der Tag am Meer, ohne dass mir eine zündende Idee kam, wie ich die in Geiselhaft befindlichen Zwerge hätte befreien können. Zunehmend steigerte ich mich in eine geheime Wut über die Dummheit dieser Schaustellerbande.

Wie konnten sieben große Kerle in eine solche Lage geraten, und wie sollte ein kleiner Hartbrandwichtel wie er dieses Problem lösen? Künstler schienen für das wirkliche Leben nicht geschaffen zu sein, und ich schob einen Großteil der Schuld auf dieses Schneewittchen, das die hohlen Köpfe der Zwerge verhext haben musste. Aber mein kleines Hartbrandwichtelherz hatte auch einen winzigen Hüpfer getan, als ich der schönen Gestalt ansichtig geworden war, und so machte sich eine Mischung aus Verständnis und Zorn in mir breit, die ich in den mäßig kühlen Fluten des Mittelmeeres auf erträgliche Temperatur brachte.

Als die Abendkühle sich über den Tag legte, begab ich mich wieder in die Altstadt. Ziellos strich ich durch die Gassen, immer auf der Suche nach einer Inspiration, nach einem Fingerzeig des Schicksals, nach einem Rettungsanker, nach einer Lösung für das Problem, das mir nicht aus dem Kopf ging.

Schon müde vom anstrengenden Laufen auf den unebenen Straßen der alten ligurischen Stadt, vernahm ich plötzlich lautes Gezeter aus einer der geöffneten Türen. Irgendetwas in mir veranlasste mich, lauschend zu verharren, und meine wichtelige Intuition hatte mich nicht getrogen. „Antonio!! Keinen Tropfen mehr, du Säufer!“, drang es aus dem Innern des Hauses. „Den ganzen Tag lungerst du nur herum, während ich in Pietros Küche schufte, damit wir was zu essen haben. Eine große Erfindung willst du machen? Dass ich nicht lache!! Das erzählst du mir seit dreißig Jahren, und nichts, aber auch gar nichts hast du geschafft! Dein letzter Einfall hat uns die Mafia auf den Hals gehetzt! Wenn ich nur daran denke! Ein Zusatz, der Beton schneller härten lässt! So ein Schwachsinn! Das Gegenteil war der Fall. Die Betonschuhe zerfielen von deinem Zeug, sobald sie das Wasser berührten! Was hast du da nur wieder in
deinem besoffenen Kopf … ach, ich will es nicht mehr hören!!“

Eine Tür im Haus fiel krachend zu, und ich ließ mir verdutzt das soeben Gehörte durch den Kopf gehen. „Das könnte
die gesuchte Lösung sein“, dachte ich bei mir und schlich mich vorsichtig an das Haus. Durch die immer noch offen stehende Außentür spähte ich in eine kleine, spärlich möblierte Stube, in der an einem Tisch ein älterer Mann mehr hing als saß. Vor ihm stand ein kleines Glas, das noch zur Hälfte mit Rotwein gefüllt war. Das Abendlicht spielte im Einklang mit dem leichten, vom Meer durch die Gassen wehenden Wind ein friedliches Lied. Antonio war offenbar von der soeben erlebten Szene völlig unbeeindruckt, denn ein zeitweiliges Schnarchen übertönte das schnarrende Geräusch des klapprigen Ventilators. In der Ecke lag eine abgemagerte Katze, die den Kopf hob, als ich leise in den Raum trat.

Gerne hätte ich mich mit dem verkappten Erfinder unterhalten und ihn direkt nach dieser seltsamen Substanz gefragt,
die angeblich Beton erweichen konnte. Doch das wäre zu gefährlich gewesen, und so schaute ich mich in dem Raum um. Auf einem rostigen Kocher standen mehrere schmutzige Behälter, ein Regal mit Flaschen undefinierbaren Inhalts schloss sich an. Wie sollte ich aus diesem Wirrwarr das richtige Mittel finden? Doch da kam mir der Zufall in Gestalt der dürren Katze zu Hilfe, die sich neugierig an mich heranpirschte und dabei eine Dose umstieß, die scheppernd über den Steinboden rollte und vor mir liegenblieb. „Calcestruzzo duro“ stand mit zittriger Schrift auf dem schmutzigen Etikett.
Das musste der nutzlose Betonhärter sein, ein Pulver also, das dem Beton beigemischt werden sollte. Wild entschlossen griff ich nach der Dose und machte mich so unauffällig damit aus dem Staub, wie ich gekommen war.

Das Schnarchen Antonios verfolgte mich bei meiner Flucht wie eine Drohgebärde, doch ich konnte mich nicht weiter um dieses Einzelschicksal kümmern und rannte so schnell mich meine Hartbrandwichtelbeine tragen konnten hinunter in die Stadt..."

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Exif

APN Canon PowerShot S45
Objectif ---
Ouverture 2.8
Temps de pose 1/250
Focale 7.1 mm
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