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Mit Blut an den Händen

Mit Blut an den Händen

82 749 18

Claudia Sölter


Premium (Basic), Frankfurt am Main

Mit Blut an den Händen

Mit liebem Dank an Andrea Bächstädt für den Votingvorschlag – gugge, was geht!
;-)


Mit Blut an den Händen
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Oder: Im Tannenwald hört dich niemand schreien!

Normalerweise ist mein Motto ja: Du kannst ohne Bild nach Hause kommen, doch nie ohne eine Geschichte und wer meine Bilder kennt, kennt auch die Geschichten dazu, die ich nur allzu gerne erzähle. Jedoch gibt es Fälle, da hätte ich doch glatt auf die Geschichte verzichten wollen. Ernsthaft!
Die Entstehung dieses Bildes beinhaltet so ziemlich alles, was die Nachtlandschaftsfotografie aus der Komfortzone katapultiert. Dass die Scheibenwaschanlage der Karre, die ich mir dank der Unterstützung meiner Schwester mieten konnte, nicht funktionierte, war noch gar nicht mal so schlimm. Und auch nicht dramatisch war der Ausfall des Reifendruckprüfers an der Tanke (da gab es nette Männer, die mir helfen konnten).
Wirklich schlimm ist die mir ureigenste Abenteuerlust und nach dieser Tour fürchte ich mich ein wenig vor dem, was ich mir noch alles in den Kopf setze. Und schlimm ist auch manchmal die blanke Dummheit, die mich bisweilen (für mich völlig) unerwartet besuchen kommt.
Denn selbst für mich war ja sichtbar, dass es geschneit hatte und das bei eisigen Temperaturen. Meine Lebenserfahrung sagt mir darüber hinaus, dass Schnee auch einiges verdecken kann. Es hätte also gar nicht zwingend zu folgendem Drama kommen müssen.
Den Abzweig auf den Feldweg zu der Anhöhe in der Nähe des Hoherodskopfes im hessischen Vogelsberg schien mir nicht – zu steil bei den Wetterverhältnissen. Schätze, da war ich noch klug. Also bin ich auf dem Weg weiter gefahren auf der Suche nach einer Standortalternative. Ich wollte durch den Tannenwald auf das nächste Feld auf einem Wirtschaftsweg, der natürlich normalerweise derbe von Treckern bearbeitet wird. Der Schnee bedeckte mein Verhängnis uns das war eine zugefrorene und mit Schnee bedeckte Pfütze – sie brach ein!
Sie beinhaltete eine Luftblase und das Eis war an der Stelle dünn. Leute, Leute … nichts ging mehr! Weder vor, noch zurück! Anfangs war ich ja noch optimistisch, das Problem schnell lösen zu können, denn ich befand mich immerhin in einem Tannenwald. Ein paar Zweige sollten mich schnell aus meiner misslichen Lage befreien helfen können. Hä-hä! Nö! Denn das an den Reifen angrenzende Eis war sehr dick. Es dauerte eine Weile bis ich verstand, was zu tun ist, doch bis dahin hörte der Wald wilde verbale Ausbrüche von mir:
„Deine beknackte Abenteuerlust geht mir auf den Geist, Frau Sölter! Du hast das bescheuerste Hobby der Welt und stellst Dich dabei auch noch grottendämlich an. So ein Mist! Gott sei Dank sieht Dich hier niemand! Wie peinlich!“ Eine Stunde mindestens habe ich gebraucht, um das Gefährt und meine Nerven wieder frei zu bekommen. Mit den bloßen Händen habe ich Zweige gebrochen und Eisbrocken um die Reifen rausgepopelt. Das Blut an den Händen schrieb ich lediglich einer Wunde zu. Am nächsten Morgen erst bemerkte ich jedoch, dass meine Hände voller Wunden waren, die Fingerkuppen sowie die Nagelbetten teilweise eingerissen und extrem spröde. Und erst die Fingernägel! Soll ich es sagen? Sie waren rabenschwarz! Ich konnte kaum mehr greifen.
Vor dem Hintergrund dieses Dramas maß ich der Tatsache, dass ich ja noch bei kuscheligen -10°C längere Zeit fotografieren wollte, eine weitaus geringere Bedeutung zu.
Tatsächlich (und da war ich wohl wieder klug in der Vorbereitung) habe ich lediglich manchmal einen Hauch gefröstelt dank diverser Kleidungsschichten und Snow Boots.
Und da ich mich bei dieser Aufnahme für die Technik des Stapelns entschieden habe, dauerte die reine Belichtung dieser Panoramen für Himmel und Boden doch ganz schön lange.
Später kam noch ein Jäger vorbei und ich bekam mein Du-Du-Du, denn ich durfte da oben ja gar nicht stehen. Mein erster Jäger! Er war not amused, hat aber derartig gebibbert, dass er die Sache wohl schnell hinter sich bringen wollte. Nach 9 Stunden in der Kälte, einem intensiv erlebten Adrenalinausbruch, einem Bushbox-Picknick, nach angewandter Diplomatie (auf die Frage „Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?“ bin ich wirklich stolz!) dem Fotografieren eines wunderbaren Winterhimmels hatte ich sie:
Meine erste Wintermilchstraße und eine Geschichte, die ich zwar einerseits gerne verheimlichen möchte, die aber andererseits einfach zu markant ist, um sie nicht zum Besten zu geben.

Kurz noch zu dem Foto:
Zwar alles von einem Standort fotografiert, aber doch Himmel und Boden „kreativ“ zusammengesetzt, denn die Milchstraße lief einerseits über den Zenit und die Enden befanden sich an jeweils anderer Stelle. Ich habe kein Problem mit dieser Vorgehensweise.

nachgeführt | gestapelt | Montage | Panorama
(TRACKED | STACKED | COMPOSITION | PANORAMA)

Himmel (18.12.2022)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4 • jeFrame 3x240“ (nachgeführt)
Brennweite: 11mm
2 Reihen • 7+3 Frames • Hochformat
Objektiv: Tokina atx-i 11–16mm 1:2,8

Boden (18.12.2022)
Kamera: Canon EOS 77D
ISO 3200 • n=f/4,0 • 240“
Brennweite: 11mm
1 Reihe • 5 Einzelbilder • Hochformat
Objektiv: Tokina atx-i 11–16mm 1:2,8

Nachführung:
Omegon Minitrack LX3

Bearbeitung:
PTGui • Photoshop

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